Pressemitteilung – Die stille Krise angehen: Broken Chalk fordert die Anerkennung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und deren Auswirkungen auf Bildung

25. November 2023 Übersetzt von Laura Dieterle

In einer Welt, in der nach wie vor eine in drei Frauen körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren hat, in der im Durchschnitt fünf Frauen pro Stunde von Familienmitgliedern getötet werden und in der sexuelle Belästigung alarmierend weit verbreitet ist, ist es für die Weltgemeinschaft von größter Bedeutung, akute Maßnahmen zu ergreifen. Broken Chalk ist sich der dringenden Notwendigkeit bewusst, das allgegenwärtige Problem der geschlechtsspezifischen Gewalt anzugehen, welches sich auch im Bildungskontext widerspiegelt. In Schulen sind sexuelle Belästigung und Mobbing eine weit verbreitete Realität; Mädchen werden durch Kinderheirat und Gewalt in ihrem eigenen Zuhause sowie auf dem Schulweg an der Fortsetzung ihrer Ausbildung gehindert.

Verschärft durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, des Klimawandels, der Wirtschaftskrisen und der politischen Instabilität, wirkt sich diese Gewalt unmittelbar auf die Bildung aus und behindert Mädchen bei der Wahrnehmung ihrer Menschenrechte. Außerdem hält die Gefahr von Gewalt Eltern davon ab Mädchen zur Schule zu schicken, insbesondere in Konfliktsituationen, aus Angst vor potenziellen Übergriffen und Entführungen auf dem Schulweg. Zusätzlich führen Studien zufolge Erfahrungen von Missbrauch deutlich häufiger zu Schulabbrüchen und Lernschwierigkeiten. Dies stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Geschlechtergleichstellung und die Stärkung der Rolle der kommenden Frauengenerationen dar.

Vor diesem Hintergrund ist es erschreckend zu sehen, dass nur 0,2 % der weltweiten öffentlichen Entwicklungshilfen für die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt verwendet werden. Broken Chalk betont daher, dass die Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen tiefgreifend sind und über körperliche Schäden hinausgehen. Sie beeinträchtigen die Grundlagen der Gesellschaft und behindern Gleichheit, Entwicklung und Frieden der Menschen.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen verursacht gravierende Folgen für die Gesellschaft im Allgemeinen und für die Bildung von Mädchen im Besonderen, weshalb ihr anhaltend Priorität zugeschrieben werden muss. Zum einen hat das Erfahren von Gewalt in der Partnerschaft oder häuslicher Gewalt nachweislich negative Auswirkungen auf die schulischen Leistungen und das Verhalten von Kindern. Besonders ein geringerer Wortschatz und eingeschränkte Rechenfähigkeiten im Alter von 5 bis 8 Jahren können damit in Zusammenhang gebracht werden, so UNICEF. Des Weiteren ist Gewalt gegen Frauen ein ausschlaggebender Faktor, der Mädchen den Zugang zu Bildung verwehrt: Weltweit gehen 129 Millionen Mädchen nicht zur Schule. Persönliche Unsicherheit in der Schule oder soziale Stigmatisierung und Scham bestehen als Folgen nach Erfahrungen von sexueller Gewalt. Auch für Mädchen und Frauen, die psychische Gewalt erfahren, kann dies einen Grund darstellen nicht weiter die Schule zu besuchen.

Broken Chalk deutet ebenfalls darauf hin, dass Belästigung eine weit verbreitete Form der Gewalt gegen Frauen ist. In der Europäischen Union haben 45 bis 55 % der Frauen seit ihrem 15. Lebensjahr sexuelle Belästigung erlebt. In England und Wales ergab eine Untersuchung im Jahr 2021, dass 92 % der Schülerinnen bestätigten, von ihren Mitschülern sexistisch beschimpft zu werden, und 61 % der Schülerinnen berichteten, dass sie in der Schule von Gleichaltrigen sexuell belästigt wurden. Die potenzielle Gefahr, in der Schule oder auf dem Schulweg belästigt zu werden, könnte Mädchen davon abhalten, zur Schule zu gehen. Um dem entgegenzuwirken, haben mehrere Länder, wie Ghana und Indien, Pilotprogramme eingeleitet, bei denen Mädchen Fahrräder zur Verfügung gestellt werden, um einen sichereren Schulweg zu gewährleisten.

Obwohl bereits wichtige Schritte im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen erreicht werden konnte, zeigen die oben genannten Fakten, dass noch viel mehr getan werden muss. Broken Chalk unterstreicht dabei, dass Bildung für die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen von entscheidender Bedeutung ist. Viele Studien zeigen, dass Kinder gerade im schulischen Umfeld mit Gewalt konfrontiert werden. Daher ist Bildung und Kultur ein wichtiges Mittel, um junge Menschen zu einem gewaltfreien und respektvollen Umgang mit Mädchen und Frauen zu beeinflussen. Darüber hinaus kann Bildung auch genutzt werden, um ein besseres Bewusstsein für Gewalt bei den Opfern zu schaffen. Gewalt gegen Frauen wird weltweit so normalisiert, dass viele Opfer die Verletzung ihrer Rechte nicht einmal wahrnehmen. Weniger als 40 % der Frauen die Gewalt erleben ersuchen Hilfe, oder erheben eine Anzeige, um Gerechtigkeit zu erfahren.

Aus diesem Grund beteiligt sich Broken Chalk an den 16 Tagen des Aktivismus gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Die jährliche internationalen Kampagne beginnt am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, und endet  am Tag der Menschenrechte, am 10. Dezember. Das diesjährige Motto der Kampagne lautet “UNITE! Investieren, um Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu verhindern”. Broken Chalk schließt sich der Bewegung an und fordert sofortige Maßnahmen zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Dabei legt Broken Chalk einen besonderen Schwerpunkt auf Bildung. Darüber hinaus ruft Broken Chalk dazu auf, eine intersektionelle Perspektive bei der Arbeit zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen einzunehmen. Die soll insbesondere ein Bewusstsein für zusätzlichen Schwierigkeiten, denen besonders POC-Frauen und LGTBQ+-Frauen sowohl in ihrer Ausbildung als auch in ihrem täglichen Leben ausgesetzt sind, schaffen.

Broken Chalk teilt dies der Öffentlichkeit in gebührendem Respekt mit.

Gezeichnet,

Broken Chalk

Pressemitteilung: Barrieren durchbrechen. Aufruf von Broken Chalk zum sofortigen Waffenstillstand und zur Selbstbestimmung am diesjährigen Internationalen Tag der Solidarität mit den Menschen in Palästina

An diesem historischen 29. November, dem 76. Jahrestag des UN-Teilungsplans in Palästina, muss die Welt sich mit dem palästinensischen Volk solidarisieren und sein grundlegendes Recht auf Widerstand gegen die Besatzung und auf Selbstbestimmung anerkennen. An diesem erschütternden Internationalen Tag der Solidarität mit den Menschen aus Palästina erhebt Broken Chalk nicht nur seine Stimme, sondern setzt sich besonders für die Vereinigung des palästinensischen Volkes in einem souveränen Gebiet und für eine harmonische Lösung des seit 75 Jahren andauernden israelisch-palästinensischen Konflikts ein. Heute im Jahr 1947 verabschiedeten die UN den Teilungsplan, der die Vision eines jüdischen und eines palästinensischen Staates mit Jerusalem als internationaler Zone, “corpus separatum”, entwarf. Dieser historische Beschluss legte den Grundstein für eine Zwei-Staaten-Lösung, die auf den Grundsätzen der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung gemäß Artikel 1 (2) der UN-Charta beruht.1

Angesichts der jüngsten Ereignisse schließt sich Broken Chalk der Aussage von UN-Generalsekretär Antonio Guterres an. Guterres betonte, dass die Angriffe der Hamas vom 7. Oktober “nicht in einem Vakuum stattgefunden haben”, sondern mit dem 75-jährigen Kampf um Selbstbestimmung und dem Widerstand gegen die israelische Besatzung verwoben sind..2 Seit dem jüngsten Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 wurden im Gazastreifen über 12.000 Zivilisten getötet, darunter mehr als 5000 Kinder.3 Der Gazastreifen ist zu einem Kinderfriedhof geworden”, so UN-Generalsekretär Guterres4

Broken Chalk sieht besondere Relevanz in der Förderung des politischen Dialogs zwischen den beiden Parteien, um eine dauerhafte Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt zu finden. Wir sehen die Dringlichkeit einer Zwei-Staaten-Lösung, und sind überzeugt, dass der Weg zu echter Selbstbestimmung für Palästinenser von seinen Grundsätzen aufgerollt werden muss. Nur durch vollständige Unabhängigkeit ist es der palästinensischen Zivilgesellschafft möglich, einen eigenen Staat, frei von äußerlichen Zwängen durch Israel oder die internationale Gemeinschaft, aufzubauen und zu entwickeln.

An diesem Tag, dem 29. November, ist es unerlässlich, weiter die Dringlichkeit einer Zweistaatenlösung in den Vordergrund zu stellen, wie auch ein Umfeld zu fördern, das sowohl Palästinensern als auch Israelis Unabhängigkeit und Souveränität zuspricht. Eine Wiedervereinigung der im Westjordanland und im Gazastreifen lebenden Palästinenser muss als dauerhafte Lösung im Rahmen der politischen Verpflichtungen Israels und des kollektiven Bewusstseins der internationalen Gemeinschaft anerkannt werden. Die bestehende Spaltung der Palästinenser in diesen beiden Gebieten behindert die Verwirklichung des palästinensischen Selbstbestimmungsrechts. Außerdem bestehen weiterhin Probleme mit illegalen Siedlungen im Westjordanland und der offensichtlich stagnierenden internationalen Autorität Palästinas (PA).

Broken Chalk erkennt das legitime Recht Israels an, sich gegen eine terroristische Organisation zu verteidigen, die sich die Zerschlagung des jüdischen Staates auf die Fahnen geschrieben hat. Allerdings unterstreicht Broken Chalk gleichzeitig die Wichtigkeit der Einhaltung des Völkerrecht, wobei der Schwerpunkt auf der Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei der Reaktion auf Sicherheitsbedrohungen liegt5 Bei der Verurteilung des verwerflichen Angriffs der Hamas, ist es von entscheidender Bedeutung, die Diskrepanz in Israels Vorgehen hervorzuheben. Die Palästinenser im Gazastreifen erleben eine kollektive Bestrafung für die Aktionen der Hamas, was Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der israelischen Reaktion aufwirft. Die von den israelischen Streitkräften angewandten Methoden scheinen nicht mit den angestrebten Zielen übereinzustimmen. Dies wird besonders durch das alarmierende Ungleichgewicht zwischen den Opferzahlen deutlich – für jeden verlorenen israelischen Zivilisten, starben in Verhältnis 10 Palästinenser.6 In diesem komplexen Umfeld setzt sich Broken Chalk für ein maßvolles und verhältnismäßiges Vorgehen ein, das die Grundsätze des Völkerrechts respektiert und die Rechte und das Leben aller von dem Konflikt Betroffenen schützt.

Die jüngsten Angriffe haben den Aussichten auf eine Zwei-Staaten-Lösung einen schweren Schlag versetzt. Berichten zufolge droht den Palästinensern im Gazastreifen inmitten der laufenden Verhandlungen die Vertreibung in den ägyptischen Sinai.7 Es ist von entscheidender Bedeutung, die Herausforderungen, mit denen der Gazastreifen konfrontiert ist, öffentlich zu machen. Dabei behindern Einschränkungen der territorialen, wirtschaftlichen- und Grenzkontrolle die Auslebung der Autonomie. Broken Chalk verurteilt die gemeldete Umsiedlung von Palästinensern in den südlichen Gazastreifen und fordert alle beteiligten Parteien aus, der Wahrung der Menschenrechte und des Völkerrechts Vorrang einzuräumen.8

Im Einklang mit der Mission von Broken Chalk, Bildung allgemein zugänglich zu machen, verurteilen wir den katastrophalen Angriff auf die al-Fakhoora-Schule, die vom UNRWA betrieben wird, stark. 9 Der Angriff auf Bildungseinrichtungen untergräbt das Grundrecht auf Bildung für alle und beeinträchtigt die Aussichten auf eine bessere Zukunft für die Palästinenser. Kinder sind die Zukunft unserer Welt und die internationale Gemeinschaft muss alles Notwendige tun, um Angriffe auf Flüchtlingslager und Schulen zu verhindern und den weiteren Verlust von Menschenleben unschuldiger Männer, Frauen und Kinder zu stoppen. Wir rufen dazu auf, gemeinsam mit anderen NGOs eine Spendenkampagne als Soforthilfe für die Betroffenen in Gaza zu starten.

Während wir an diesem bedeutenden Tag in Solidarität mit den Palästinensern zusammenstehen, ruft Broken Chalk die internationale Gemeinschaft auf, ihr Engagement für eine gerechte und dauerhafte Lösung zu erneuern, die die Rechte und Bestrebungen sowohl der Palästinenser als auch der Israelis respektiert. Wir fordern einen sofortigen Waffenstillstand und eine Überarbeitung des UN-Teilungsplans, in dem beide Seiten das Recht auf Selbstbestimmung anerkennen.

Broken Chalk teilt dies mit gebührendem Respekt mit.

Gezeichnet,

Broken Chalk

Übersetzt von Luzi Maj Leonhardt aus dem Originalbeitrag auf Englisch


References

1 https://www.un.org/securitycouncil/content/purposes-and-principles-un-chapter-i-un-charter#rel1

2 https://www.politico.eu/article/israel-united-nations-antonio-guterres-hamas-attack-vacuum-comments/

3 https://www.aljazeera.com/news/2023/11/18/israeli-air-strikes-kill-28-palestinians-in-southern-gaza#:~:text=Since October 7, more than,to about 2.3 million people.

4 https://www.dci-palestine.org/4237_palestinian_children_killed_as_gaza_becomes_graveyard_for_children

5 https://guide-humanitarian-law.org/content/article/3/proportionality/

6 https://www.youtube.com/watch?v=9jsJYHuGPms

7 https://www.timesofisrael.com/intelligence-ministry-concept-paper-proposes-transferring-gazans-to-egypts-sinai/

8 https://edition.cnn.com/2023/11/08/world/palestinians-fleeing-south-gaza-city-unbearable-situation/index.html

9 https://www.wionews.com/world/at-least-50-killed-in-israeli-airstrikes-on-al-fakhoora-school-in-gazas-jabalia-refugee-camp-660179

“DIE BÖSARTIGE ABSCHAFFUNG DER FRAUENRECHTE IN AFGHANISTAN DURCH DIE TALIBAN”

by Leticia Cox

Taliban bedeutet Unterdrückung der Frauen. Taliban bedeutet, die Qualitäten, den Platz und die Rolle der Frau in der Gesellschaft herabzusetzen. Taliban bedeutet, dass es für Frauen keine Bildung oder Arbeit außer Hausarbeit und Kinderkriegen gibt. Taliban bedeutet, dass den Frauen die grundlegenden Menschenrechte vorenthalten werden, dass sie in Angst und ohne Würde leben.

Die meisten Afghanen, darunter auch einige Taliban, lehnen den Ausschluss von Frauen und Mädchen aus dem Bildungssystem ab und sind ernsthaft besorgt über die Folgen für das gesamte Land.

Nach der Ankündigung der Taliban, weibliche Studenten von der Universität zu verbannen, verließen männliche Studenten aus Protest gegen die Entscheidung der Taliban ihre Prüfungen, und mehrere männliche Professoren kündigten.

Muslimische Länder wie die Türkei, Saudi-Arabien, Pakistan und Katar haben ihr Bedauern über das Universitätsverbot zum Ausdruck gebracht und die Taliban-Behörden aufgefordert, ihre Entscheidung zurückzunehmen.

“Dafür gibt es keine religiöse oder kulturelle Rechtfertigung”, sagte die 26-jährige Husna Jalal, eine Absolventin der Politikwissenschaften aus Kabul.

Jalal floh im August letzten Jahres aus Afghanistan, nachdem die Taliban die Stadt Kabul übernommen hatten. Jalal hat nach ihrem Universitätsabschluss vier Jahre lang in Kabul gearbeitet, aber wie viele berufstätige afghanische Frauen hatte sie vorhergesagt, dass die strenge Scharia bald nach der Übernahme des Landes durch die Taliban eingeführt werden würde.

“Es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, wie meine Schwestern in ihren grundlegenden Menschenrechten verletzt werden. Ich habe gesehen, wie sie durch die Straßen marschierten und Freiheit und Gleichheit forderten, und wie die Sicherheitskräfte der Taliban Gewalt anwandten, um die Gruppe aufzulösen und sie daran zu hindern, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben”, sagte Jalal. “Die Menschen weltweit müssen ihre Stimme für meine Schwestern erheben; die Taliban haben uns all unsere Hoffnungen genommen.”

Die Taliban, auch bekannt als Talib, die seit 1996 versuchen, das Warlordentum in Afghanistan durch eine striktere Einhaltung der Scharia zu beenden, übernahmen 2021 als Islamisches Emirat Afghanistan gewaltsam die Kontrolle über Afghanistan.

Seit Jahrzehnten ist die Rolle der Scharia weltweit ein zunehmend umstrittenes Thema. Der Internationale Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat in mehreren Fällen entschieden, dass die Scharia “im Widerspruch zu den Grundprinzipien der Demokratie” steht. Einige traditionelle Praktiken beinhalten schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, insbesondere für Frauen und deren Recht auf Bildung.

Als die Taliban kamen, schafften sie das Frauenministerium ab. Frauen wurden nach und nach von den Fernsehbildschirmen gestrichen. Zehntausende von Frauen wurden in verschiedenen Branchen arbeitslos. Es war ihnen verboten, ohne Mahram mehr als 72 km zu gehen. Die Frauen werden aus dem gesellschaftlichen Leben herausgezogen. Die ihnen angebotene Gesundheitsversorgung ist begrenzt, ihre Beschäftigungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, und ihr Recht auf Bildung wurde ihnen genommen.

Die jüngste Ankündigung der Taliban, Frauen bis auf weiteres von den Universitäten im ganzen Land zu suspendieren, ist ein eklatanter Verstoß gegen ihre in zahlreichen internationalen Verträgen verankerten gleichen Menschenrechte.

“Das erste Gebot des Islam lautet “Lies”. Der Islam fordert sowohl Männer als auch Frauen auf, nach Wissen zu streben. Der Koran wendet sich an Menschen und rät Männern und Frauen, Wissen zu erlangen, die Wahrheit zu finden, ihr eigenes Potenzial zu entdecken und zu entwickeln und vollkommene Menschen zu werden”, sagte Dr. Ali Unsal, Doktor der islamischen Theologie, kürzlich in einem Interview für Broken Chalk.

Dr. Ali Unsal ist ein erfahrener Autor, Forscher, Lehrer und Prediger mit einem fundierten Hintergrund in islamischer Theologie und islamischer Rechtswissenschaft. Dr. Unsal promovierte in islamischer Theologie und erwarb einen Master und einen Bachelor of Divinity an renommierten Theologenschulen in der Türkei. Er hat mehrere Jahre in den USA gelebt, wo er seine akademischen und beruflichen Studien und Erfahrungen durch Seminare, Workshops, Beratungen, Gemeindedienste und akademische Schriften mit muslimischen und nicht-muslimischen Amerikanern vertiefte. Er leitete das Institut für islamische und türkische Studien (IITS) in Fairfax, VA.

Dr. Unsal organisiert Podiumsdiskussionen, Seminare und Diskussionen mit Akademikern aus verschiedenen Ländern. Er spricht fließend Englisch, Türkisch, Arabisch, Bahasa Indonesia und Tatarisch.

Laut Dr. Unsal hat Hz. Muhammad die Bildung und Erziehung von Mädchen gefördert, die im Laufe der Geschichte besonders verachtet und unterbewertet wurden. “In einem seiner Hadithe heißt es beispielsweise: “Wer zwei Mädchen erzieht und diszipliniert, bis sie erwachsen sind, mit dem werden wir am Tag des Jüngsten Gerichts zusammen sein”, erklärt Dr. Unsal.

“Als die Frauen zu ihm kamen und sagten, dass er die Männer in der Moschee ständig unterrichtete und die Botschaft Allahs vermittelte, dass aber die Frauen davon ausgeschlossen waren, gab er ihnen eine besondere Zeit und gab ihnen eine Art Bildung.

Hz. Aisha, die Frau von Muhammad, wurde mit dem, was sie von ihm lernte, zu einer der bedeutendsten Gelehrten ihrer Gesellschaft. Jeder kam zu ihr, um von ihr zu lernen, was ihm fehlte. In der Geschichte des Islam nahmen Frauen einen bedeutenden Platz im wissenschaftlichen und kulturellen Leben ein. Die Fortbildung in einer inoffiziellen Struktur in der islamischen Welt und die Bindung an den Lehrer und nicht an die Schule erleichterten es den Frauen, von Gelehrten aus ihrem Umkreis unterrichtet zu werden. Unter den Meistern von Tâceddin es-Subki, einem der großen islamischen Gelehrten, die Hadithen hörten und lernten, werden 19 Frauen genannt. Suyûtî lernte Hadithe von 33, İbn-i Hacer von 53 und İbn-i Asâkir von 80 Frauen”, so Dr. Unsal.

Am 24. August letzten Jahres forderten die Außenminister der G-7-Staatengruppe – ein zwischenstaatliches politisches Forum – die Taliban auf, das Verbot der Frauenbildung zurückzunehmen, und warnten, dass “die Verfolgung aufgrund des Geschlechts ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen kann, das strafrechtlich verfolgt werden wird”.

Mehrere Medien berichten, dass Taliban-Kräfte seit dem Verbot vor den Universitäten in Kabul stehen und Frauen am Betreten der Gebäude hindern, während sie den Männern erlauben, hineinzugehen und ihre Arbeit zu beenden.

Der Minister für höhere Bildung, Nida Mohammad Nadim, ein ehemaliger Provinzgouverneur, Polizeichef und Militärkommandant, ist strikt gegen die Bildung von Frauen, da sie gegen islamische und afghanische Werte verstoße.

“Meiner Meinung nach hat das nichts mit dem Islam zu tun”, sagte Dr. Unsal. “Weil es den paschtunischen Traditionen völlig widerspricht. Nach dieser Tradition sollte eine Frau nur zu Hause bleiben, ihr Essen kochen, ein Kind zur Welt bringen und nur ausgehen, wenn es notwendig ist. Das hat nichts mit dem Islam zu tun. Denn die Frau des Propheten, Hatice, war eine große Geschäftsfrau. Frauen waren in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens präsent. Auf dem Markt, in der Moschee. Hz. Ömer setzte eine Frau namens Şifa als Inspektorin ein, um den Basar zu beaufsichtigen.”

Minister Nadim erklärte gegenüber den Medien, das Verbot sei aus mehreren Gründen notwendig: um die Vermischung der Geschlechter an den Universitäten zu verhindern, weil die Frauen sich nicht an die Kleiderordnung hielten, weil die Studentinnen in andere Provinzen gingen und ohne ihre Familien lebten und weil das Studium bestimmter Fächer und Kurse gegen die Grundsätze des Islam verstoße. Diese Gründe scheinen die öffentliche Meinung in der Welt nicht zu überzeugen.

Warum schränken die Taliban die Bildung von Frauen ein? Der Islam verweigert Frauen nicht die Bildung, warum also die Taliban?

“Meiner Meinung nach könnte es dafür zwei Gründe geben”, erklärt Dr. Unsal. “Erstens fehlt es ihnen an staatlicher Erfahrung. Sie können die Dynamik der Gesellschaft nicht richtig einschätzen. Sie haben immer noch eine Stammesmentalität. Das bringt sie dazu, sehr falsche Dinge zu tun. Sie können nicht alle Teile der Gesellschaft einbeziehen. Der zweite Grund ist eine Art von Perspektivwechsel oder eine Art von Ignoranz. Sie interpretieren den Islam im Einklang mit ihrer eigenen Stammeskultur. Leider steht dies im Widerspruch zur Universalität des Islam und ist weit davon entfernt, den Bedürfnissen der modernen Zeit zu entsprechen. Deshalb handeln sie mit einer radikalen und marginalen Interpretation.“

Im ganzen Land haben die Taliban Mädchen den Schulbesuch über die sechste Klasse hinaus verboten, Frauen von der Arbeit ausgeschlossen und ihnen befohlen, in der Öffentlichkeit eine Burka oder eine Ganzkörperverschleierung zu tragen. Auch der Zutritt zu Parks und Turnhallen ist Frauen untersagt worden.

“Viele junge Mädchen sind traumatisiert, wenn sie festgehalten werden. Einige Familien berichten in den Nachrichten, dass ihre Tochter ständig weint und nicht getröstet werden kann. Junge Menschen und Familien machen sich Sorgen um ihre Zukunft”, sagte Dr. Unsal.

“Unsere Schwestern und unsere Männer haben die gleichen Rechte; sie werden in der Lage sein, ihre Rechte zu nutzen … natürlich innerhalb des Rahmens, den wir haben”, sagte Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid.

Trotz anfänglicher Versprechen, die Scharia gemäßigter zu handhaben und die Rechte der Frauen zu respektieren, haben die Taliban seit ihrer Machtübernahme im August 2021 ihre Auslegung des islamischen Rechts/der Scharia durchgesetzt, und es gibt immer wieder Hinweise darauf, dass die Taliban die Rechte der Frauen verletzen.

Wie also kann die internationale Gemeinschaft den Frauen in Afghanistan helfen?

“Die EU sollte die Finanzierung der Geschäfte der Taliban einstellen. Kinder aus Taliban-Familien sollten nach Afghanistan zurückgeschickt werden, um dort zu studieren, nicht im Ausland”, sagte Jalal.

“Die internationalen Spender sollten den Einfluss, den sie auf die Taliban haben, erkennen und ausüben, sei es durch diplomatische Sanktionen, Wirtschaftssanktionen, Hilfe, politischen Druck oder andere Mittel. Sie sollten dieses Druckmittel nutzen, um konkrete Verpflichtungen in Bezug auf die Rechte der Frauen einzufordern, die für Frauen und Mädchen von Bedeutung und durch Überwachung messbar sind”, sagte Jalal.

Nach Ansicht von Dr. Unsal könnten Sanktionen internationaler Spender nicht funktionieren. Die Taliban haben einen festen und robusten Charakter. Das Richtige wäre, dass muslimische Gesellschaften wie die Organisation der Islamischen Konferenz oder die Organisation für Islamische Zusammenarbeit oder die Gemeinschaften islamischer Gelehrter in Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen etwas unternehmen, das schnellere Ergebnisse bringt.

“Die Taliban sind beunruhigt über die Kritik der Welt an ihren Entscheidungen für ihre Gesellschaft und über die Forderung, ihre Fehler zu korrigieren. Sie sagen: “Mischt euch nicht in unsere inneren Angelegenheiten ein”.

Einige internationale Universitäten oder Organisationen könnten Ausbildungsmöglichkeiten anbieten und kostenlose Vorlesungen, Kurse und Diplome zur Verfügung stellen.

Außerdem können einige Länder, mit denen die Taliban nicht aus der westlichen, sondern aus der islamischen Welt zusammenarbeiten, durch ihre Gelehrten zur Entspannung beitragen”, schlug Dr. Unsal vor.

“Die Frauen in Afghanistan sind es leid, mit der ausländischen Presse und Organisationen zu sprechen und ihre Geschichten zu erzählen. Sie haben das Gefühl, dass ihnen niemand hilft oder dass sie nicht helfen können”, sagte Jalal.

Bildung ist ein international anerkanntes Menschenrecht, das für das wirtschaftliche Wachstum und die Stabilität Afghanistans unerlässlich ist. Die Taliban sind nach internationalem Recht und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verpflichtet, die Rechte der Frauen uneingeschränkt zu achten. Afghanistan hat das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) im Jahr 2003 ratifiziert.

Die Taliban übernehmen die Verpflichtungen Afghanistans aus dieser Konvention, einschließlich der “Verfolgung einer Politik zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen mit allen geeigneten Mitteln und ohne Verzögerung”.

Frauen brauchen jetzt einen männlichen Vormund, um mehr als 48 Meilen zu reisen oder um grundlegende Aufgaben wie das Betreten von Regierungsgebäuden, Arztbesuche oder Taxifahrten zu erledigen. Sie sind von fast allen Berufen ausgeschlossen, mit Ausnahme der medizinischen Berufe und – bis Mittwoch – der Lehrtätigkeit. Frauen dürfen auch keine öffentlichen Parks mehr besuchen.

Das von den Taliban verhängte Bildungsverbot für Frauen und Mädchen hat die afghanischen Frauen dauerhaft zu einer düsteren Zukunft ohne Chancen verurteilt.

“Die Hälfte der Gesellschaft besteht aus Männern, die andere Hälfte aus Frauen. Deshalb haben Mädchen das gleiche Recht auf Bildung wie Jungen. Es gibt wichtige Rollen, die Frauen in allen Lebensbereichen spielen können. In einigen Bereichen können sie sogar bessere Arbeit leisten als Männer. Diese Entscheidung des afghanischen Bildungsministeriums ist sowohl eine Verletzung der Menschenrechte als auch ein Unglück für Afghanistan”, so Dr. Unsal.

*Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (UDHR) ist ein Meilenstein in der Geschichte der Menschenrechte. Sie wurde von Vertretern mit unterschiedlichem rechtlichem und kulturellem Hintergrund aus allen Regionen der Welt verfasst und von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 in Paris (Resolution 217 A der Generalversammlung) als gemeinsamer Standard für alle Völker und Nationen proklamiert. In ihr wurden zum ersten Mal grundlegende Menschenrechte festgelegt, die universell zu schützen sind, und sie wurde in über 500 Sprachen übersetzt. Es wird allgemein anerkannt, dass die UDHR die Verabschiedung von mehr als siebzig Menschenrechtsverträgen inspiriert und ihnen den Weg geebnet hat, die heute auf globaler und regionaler Ebene ständig angewandt werden (alle enthalten in ihren Präambeln Verweise auf die UDHR).

 

https://en.wikipedia.org/wiki/War_in_Afghanistan_(2001–2021)

https://www.pbs.org/newshour/world/talibans-higher-education-minister-defends-ban-on-women-from-universities 

https://www.ohchr.org/en/countries/afghanistan 

https://www.pbs.org/newshour/world/afghan-women-weep-over-university-ban-as-taliban-begin-enforcement 

https://www.bbc.com/news/world-south-asia-11451718

https://www.theguardian.com/global-development/2022/mar/10/robbed-of-hope-afghan-girls-denied-an-education-struggle-with-depression 

https://amp.cnn.com/cnn/2021/12/03/asia/afghanistan-taliban-decree-womens-rights-intl/index.html

https://edition.cnn.com/2022/12/20/asia/taliban-bans-women-university-education-intl/index.html

https://www.right-to-education.org/page/campaign 

https://www.unesco.org/en/education/right-education/campaign 

https://www.hrw.org/news/2021/09/02/how-international-community-can-protect-afghan-women-and-girls

 

 

 

Eine Buchbesprechung von Das Leben der Halime Gülsu: Die himmlische Lehrerin, die im Gefängnis ermordet wurde

Halime Gülsu – Das versagende Gefängnissystem der Türkei führte zum tragischen Tod einer einzigartigen Seele. Eine Buchbesprechung von Das Leben der Halime Gülsu: Die himmlische Lehrerin, die im Gefängnis ermordet wurde (2022)

by Vivien Kretz

 

Warum werden Gefangene nicht zum Tode verurteilt, aber trotzdem ermordet?

Wie bezahlen Bürger für ihr Leben? Solche Fragen stellt man sich, wenn man über das Schicksal von Halime Gülsu nachdenkt.

Das Buch ‘Halime Gülsu: The Heavenly Teacher Murdered in Prison’ (Die Himmlische Lehrerin, die im Gefängnis ermordet wurde) wurde von Zeynep Kayadelen geschrieben und von der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation ‘Advocates of Silenced Turkey‘ (AST) herausgegeben. Es basiert sich auf den Aussagen von Gülsus Zellengenossingen, die ihre letzten Momente miterlebt haben, und auf den Aussagen von von Freunden und Familienangehörigen. Gülsu starb als Insassin in einer Gefängnisabteilung in der türkischen Provinz Mersin, weil sie keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Hilfe hatte.

Die Geschichte von Halime Gülsu wurde nun von der türkischen Organisation ‘Advocates of Silenced Turkey rekonstruiert. Die Autorin Zeynep Kayadelen leitet ihr werk mit dem Vorwort: “Wir sind viele Male gestorben” ein (Kayadelen 2022, 9). Die Hoffnungslosigkeit wird durch ihr Worten betont. Sie widmet dieses literarische Werk denjenigen, die einen schmerzhaften Tod erlitten haben wegen einem am Herzen liegendem Kampf.

In ihrem Roman beschreibt Kayadelen das traurige Schicksal von Halime Gülsu, eine engagierte Lehrerin, die in der Türkei unterrichtete und der Hizmet Bewegung angehörte. Diese Bewegung ist von den Ideen und Zielen des Gelehrten Fethullah Gulen beeinflusst. Die Hizmet-Bewegung setzt sich für eine freiere, gleichberechtigtere und nachhaltigere Türkei ein.

Gülsu war eine sehr engagierte Lehrerin. Während ihrer Arbeitszeit unterrichtete Sie ihre Schüler und nebenbei unterstützte sie diejenigen die von der türkischen Regime verfolgt wurden.

Das türkische Regime wendete sich gegen alle Anhänger der Hizmet-Bewegung. Gülsu und die meisten ihrer Freuden befangen sich deswegen in einer schwierigen Situation. Sie fühlten sich auf Schritt und Tritt beobachtet. Sie wussten, dass das Regime hinter ihnen her war. Kayadelen beschrieb es so: “Wenn die Unterdrückung ein Feuer wäre, dann wäre ihre Feindseligkeit der Wind, der es anfachte”. Gülsu weigerte sich jedoch nachzugeben und lehnte die Möglichkeit ab, das Land zu verlassen. Ein Großteil ihrer Familie wohnt in Kanada, deswegen konnte sie oft ins Ausland reisen, um ihre Familie zu besuchen. Sie war eine sehr stolze türkische Staatsbürgerin und schlussendlich entschied sich zu blieben, um sich gegen das Regime zu wehren. Im Laufe des Buches wird immer wieder betont, dass sie sich als Bürgerin der Türkei sah und sich beschloss, für eine vielversprechende Zukunft ihres Landes zu kämpfen. Die Anführer des Regimes waren damit nicht einverstanden.

Am 20. Februar 2018 wurde Gülsu wegen ihrer Zugehörigkeit zur Hizmet-Bewegung verhaftet. Ihre Verhaftung kam für sie ziemlich überraschend. Gülsu wusste, dass sie beobachtet wurde, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie verhaftet und inhaftiert werden würde.

Nachdem das Team der Antiterror Spezialeinheit von Mersin ihre gesamte Wohnung durchsucht, and gesamt auseinandergenommen hatte, wurde sie verhaftet und ins Gefängnis von Tarsus gebracht.

Gülsu war nicht gesund, sie litt an chronischem Lupus erythematosus, einer Autoimmunkrankheit, und benötigte tägliche und wöchentliche Medikamente zur Behandlung ihrer Krankheit.

Als die türkischen Streitkräfte die Lehrerin aus ihrem Haus ras, nahm sie schnell ihre täglichen Medikamente und ihre Krankenakte mit. Leider vergaß Gülsu ihre wöchentliche Medizin einzunehmen während ihrer Verhaftung.

Im Gefängnis angekommen, fragte sie nach ihren medizinischen Unterlagen, aus denen hervorging, dass sie krank war und ihre wöchentliche Medizin und medizinische Hilfe benötigte, aber die Unterlagen waren nirgendwo zu finden. Gülsu befand sich deswegen in einer schrecklichen und lebensbedrohlichen Situation.

Im Gefängnis wurde sie mit anderen Frauen in einer überfüllten Zelle gesteckt. Die Zelle war bestimmt für zehn Personen mit zehn Betten ausgelegt. Als sie die Zelle betrat war sie bereits mit doppelter Anzahl Frauen besetzt.

Einige der Gefangenen hatten Kinder, die ihnen entnommen sind. Weibliche Gefangene waren gezwungen, kleine Kinder nach Hause zu schicken, da das Gefängnis sie nicht versorgen konnten.

Gülsu erlebte alles aus erster Hand: die Routine, die Unwissenheit und die Geschichten der anderen Gefangenen, aber nicht für lange. Drei Monate nach ihrer Verhaftung starb Gülsu wegen medizinscher Nachlässigkeit.

 

Gülsu erhielt weder Zugang zu ihren wöchentlichen Medikamenten noch zu ihrer medizinischen Behandlung für ihre chronische Lupus Erkrankung. Ihr Zustand verschlimmerte sich, und sie entwickelte Wucherungen und Knoten – sie litt schreckliche Qualen.

Sie wurde von Tag zu Tag schwächer und schwächer. Als ihr Bruder ihr endlich die Medikamente bringen konnte, war es bereits zu spät. Gülsu konnte die Schmerzen nicht mehr ertragen, und die aggressive Krankheit war zu fortgeschritten.

Nach wochenlangem Leiden durfte Gülsu endlich ins Krankenhaus, es war jedoch zu spät. Nach ihrer Rückkehr ins Gefängnis mussten ihre Insassen, die zu liebevollen Freunden geworden waren, sie tragen, da sie zu schwach war, um zu gehen – sie kümmerten sich um Gülsu, fütterten sie und beteten für sie.

Leider starb sie um April 2018 um 15:10 allein im Gefängnisflur. „Wir ein leerer Kokon wurde ihr ausgetrockneter Körper zurückgelassen, der einfach nur da lag“, beschreibt Kayadelen in ihrem Buch.

Die Autorin Kajadelen erzählt die Geschichte in einer Ich-Perspektive, was es dem Leser erleichtert, sich vorzustellen, was die Lehrerin während ihrer schweren Zeit im Gefängnis durchgemacht haben muss.

Kayadelens Buch ist ein schönes Leseerlebnis mit einem persönlichen Einblick in das, was Gülsu in ihren letzten Tagen erlebt hat. Durch zahlreiche Interviews mit Menschen, die im Gefängnis arbeiten, und mit Menschen, die mit Gülsu in Verbindung stehen, hat die Organisation die Geschichten über ihre Zeit im Gefängnis zusammengestellt und einen starken Hintergrund für eine mit Herz erzählte Geschichte geschaffen.

Kayadelens Arbeit wirkt als eine starke Stimme gegen alle Menschenrechtsverletzungen in türkischen Gefängnissen. Die Anwälte von ‚Silenced Turkey‘ haben hervorragende Arbeit geleistet, um Halime Gülsu, „die himmlische Lehrerin“, ein kleines Stück Gerechtigkeit zu verschaffen.

Das Buch kann hier erworben werden:

https://www.amazon.com/Life-Halime-Gulsu-Heavenly-Murdered/dp/B0BMY9HXYW

 

Translated By Georgette Schönberger from https://brokenchalk.org/the-life-of-halime-gulsu-the-heavenly-teacher-murdered-in-prison/

Presseerklärung: Weltfrauentag 2023 – Übersetzt von Florian Dams

8 März 2023

Herzlichen Glückwunsch zum Weltfrauentag! Ein Tag um die Errungenschaften der Frauen weltweit zu feiern, das Bewusstsein für die Herausforderungen zu schärfen, mit denen Frauen konfrontiert sind, und Wege zur Gleichstellung der Geschlechter zu finden. In diesem Jahr lautet das Thema “Frauen in Bildung, Technologie und Innovation”. Dieses Jahr hat das Frauenteam von Broken Chalk ein Video gedreht um den tag zu feiern und das Bewusstsein für die Herausforderungen zu schärfen mit denen Frauen in der Bildung immer noch tagtäglich konfrontiert sind. Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Prozess, der Frauen und Männern gegenüber fair ist. Frauen streben nach beruflicher Bildung und Karriere, aber nach wie vor nicht ohne Hindernisse. Um genau diese Fairness zu schaffen, müssen Methoden zur Verfügung stehen, um Frauen auf der ganzen Welt im Kampf gegen soziale, politische oder kulturelle Nachteile zu unterstützen.

 

Artikel 28 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes sieht Chancengleichheit sowie eine obligatorische und verfügbare Grundschulbildung für alle vor. Auch heute noch gehen 129 Millionen Mädchen nicht zur Schule, obwohl mehr Mädchen als je zuvor Zugang zu Bildung haben. Die Wahrnehmung des Rechts von Frauen auf hochwertige Bildung wird nach wie vor durch zahlreiche geschlechtsspezifische Hindernisse beeinträchtigt, z. B. durch Stereotype, Kinderheirat und Schwangerschaft, Armut oder geschlechtsspezifische Gewalt. Obwohl geschlechtergerechte Bildungssysteme Wohlstand für das ganze Land schaffen, geben arme Familien bei ihren Bildungsinvestitionen oft den Jungen den Vorrang. Bildungszugang für junge Mädchen schafft soziales und wirtschaftliches Wohlergehen für die Länder in denen sie leben, da diese jungen Mädchen im späteren Lauf ihres Lebens eher dazu tendieren   in die Bildung ihrer eigenen Kinder zu investieren und ihr Vorrang einräumen.

 

Die Bildung von Mädchen geht über die Einschulung hinaus: Es muss ein sicheres Lernumfeld gewährleistet werden, dass den Mädchen ermöglicht, ihre Ausbildung abzuschließen und die Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, die sie benötigen, um im Berufswettbewerb bestehen zu können.

 

In einigen Ländern erfüllen die Schulen jedoch immer noch nicht Sicherheits-, Hygiene- und Sanitäranforderungen. Zudem sind geschlechtsspezifische Lehrpläne noch immer mehr Regel als Ausnahme, was zu Unterschieden beim Lernen entlang dieser Linien führt.

Unser Team hat über die Herausforderungen nachgedacht mit denen Frauen in ihren Herkunftsländern immer noch konfrontiert sind sowie über mögliche Lösungsansätze.

Im so genannten “Globalen Norden” ist der Zugang von Mädchen zur Bildung nicht systematisch durch das Geschlecht bedingt, aber Stereotypen spielen immer noch eine Rolle dabei, dass Frauen in der Tendenz eher zum folgen geisteswissenschaftliche statt naturwissenschaftliche Fächer verwiesen werden. In einigen Ländern wie Italien gibt es immer noch Ungerechtigkeiten und Diskriminierung beim Zugang zum Arbeitsmarkt. Auf dem afrikanischen Kontinent hingegen spielt die Armut eine entscheidende Rolle beim Zugang zur Bildung. Eines der Hauptprobleme ist die Tatsache, dass für viele Mädchen die Bildung auf Eis gelegt ist: Es gibt keine Kontinuität. Dies ist der Fall in Kenia, wo Dürre- und Hungerkrisen den nachhaltigen Bildungszugang von Mädchen erschweren. Mädchen brechen die Schule auch aufgrund von frühen Schwangerschaften und Eheschließungen ab. In Uganda und Mosambik ist dieses Phänomen sehr präsent: Die Gesellschaft muss sensibler dafür werden, wie wichtig es für ihre soziale Entwicklung ist, Mädchen zur Schule zu schicken. Auch in einigen asiatischen Ländern wie Indonesien ist die Kinderheirat immer noch ein Grund dafür, dass Frauen die Schule abbrechen und sich auf die Betreuung der Kinder und das führen des Haushalts konzentrieren. Obwohl die Regierung Maßnahmen ergreift, um die Qualität der Schulbildung von Mädchen in Indonesien zu verbessern, muss das öffentliche Bewusstsein für den gesellschaftlichen und individuellen Wert der Schulbildung für Mädchen gestärkt werden. Investitionen in die Schulbildung von Mädchen verändern Gemeinschaften, Länder und die Welt. Sie stärken die Wirtschaft und verringern die Ungleichheit. Eine weitere Herausforderung für Frauen in der Bildung kann am Fall der Türkei veranschaulicht werden, wo Universitätsstudentinnen immer wieder Opfer von willkürlichen Polizeidurchsuchungen werden.

Wie immer hat sich Broken Chalk zur Aufgabe gemacht, das Wissen über die Bedeutung von Bildung für die Verwirklichung der Menschenrechte zu verbreiten. In diesem Jahr wird sich Broken Chalk darauf konzentrieren, Bewusstsein zu schaffen für die positiven Auswirkungen der Bildung von Frauen auf die Gesellschaft im Allgemeinen sowie auf das wirtschaftliche und soziale Wohlergehen. Da Frauenrechte Menschenrechte sind, werden wir auch weiterhin Bemühungen unterstützen, die Gleichstellung der Geschlechter in allen Bereichen zu erreichen, nicht nur im Bildungsbereich. Die Gleichstellung der Geschlechter verbessert die Chancen für alle und ermöglicht es den Menschen, ihre Träume unabhängig vom Geschlecht zu verfolgen. Gleichberechtigung führt zu Gleichheit.

 

Einen frohen Weltfrauentag!

Unterzeichnet von

Broken Chalk

 

Translated by Florian Dams from https://brokenchalk.org/press-release-international-womens-day-2023/

 International_Womens_Day_2023_Press_Release_DE

Das Zeugnis von Marcel Voorhoeve, ein inspirierender Mann, der in den Niederlanden im Bildungsbereich tätig ist

Interview mit Marcel Voorhoeve und die Qualifikation von Flüchtlingslehrern zum Unterrichten in den Niederlanden.

Obschon er den größten Teil seines Lebens als Mathematik- und Physiklehrer und Direktor einer Sekundärschule verbracht hatte, gründete Marcel Voorhoeve die Organisation DVDK (Docentvluchteling voor de Klas) oder „Flüchtlingslehrer für das Klassenzimmer“.

In Zusammenarbeit mit dem niederländischen Verein für Mathematiklehrer und VluchtelingenWerk Nederland (den niederländischen Flüchtlingsrat), versichern die Freiwilligen der DVDK, dass die Flüchtlingslehrer ihren Beruf auch in den Niederlanden ausüben können.

Anlässlich des Internationaler Tag der Bildung 2023 beschloss Broken Chalk ein Gespräch mit Marcel Voorhoeve zu führen, um über seine Erfahrungen, die Gründung von der DVDK und über Vorschläge, die er anderen mitteilen möchte, die sich möglicherwiese an der Förderung des „Unterrichtens von Flüchtlingslehrern“ beteiligen möchten zu sprechen.

 

Can you tell me about your background?

Können Sie mir etwas über Ihren Hintergrund erzählen?

 

„Ich bin im Süden des Landes geboren, in Maastricht. Ich bin im Moment 67 Jahre alt und habe Mathematik und Physik an der Universität von Utrecht studiert. Nach einem fünfjährigen Studium war es möglich, die Lizenz als Lehrer zu bekommen. Danach suchte ich nach einer Arbeit im Bildungswesen, welches zurzeit nicht einfach war. Schlussendlich erhielt ich eine Stelle in Utrecht, und wurde ich Lehrer an einer römisch-katholischen Schule und fing an, Physik zu unterrichten.“

 

Demzufolge wurde Marcel Mathematiklehrer und begann Mitte der 1980er Jahren, mit der Entwicklung von Computern, auch mit dem Unterrichten von Informatik. Seiner Meinung nach war es eine sehr interessante Zeit für das Bildungssystem, da neue Ideen für den Mathematikunterricht entstanden.

 

„An der Universität von Utrecht begann die Abteilung mit dem Entwickeln von neuen Ideen für den Mathematikunterricht. Unsere Universität war für mehrere Projekte eine „Versuchsuniversität“. Dies war auch sehr interessant für mich, da es mir erlaubte mich als Lehrer weiterzuentwickeln.“

 

„In vielen Ländern wird Mathematik angesehen als etwas, das man lernen und tun muss, doch das Wichtigste ist das Tun… Dieser Ansatz hilft das eigene Denken nicht weiterzuentwickeln. Den nur, wenn man sich die Zeit nimmt Dinge auszuprobieren und mithilfe eines guten Lehrers ist es möglich sein eigenes Denken zu entwickeln.“

 

Die letzten 15 Jahren seines Berufes war Marcel ein Vorstandsmitglied seiner Schule und die letzten 4 Jahren bevor er aufhörte zu arbeiten, unterrichtete er an der Universität von Angewandten Wissenschaften in Amsterdam in der Lehrerausbildung Abteilung. Dort konnte er wieder unterrichten, indem er junge Studenten, die Mathematiklehrer werden wollten, mathematische Fächer, insbesondere Statistik, und die Didaktik der Mathematik beibrachte.

 

Wie sind Sie auf die Idee für die DVDK gekommen?

 

„Ich habe vor drei Jahren, etwa zu Beginn der Corona-Zeit, aufgehört zu arbeiten, dennoch hat mir meine Arbeit sehr gut gefallen. Mein Partner und ich fingen zu reisen und für einen Moment… Im Monat Januar, nach Weihnachten, dachte ich darüber nach, was ich tun könnte. Auf die nächste Reise abwarten, war nicht befriedigend für mich.“

 

Eines Tages beschloss Marcel Plan Einstein zu besuchen, ein Ort entwickelt von der Gemeinde Utrechts und von VluchtelingenWerk Nederland, eine Organisation, welchen Flüchtlingen bei der Aufnahme und Integration in der Stadt hilft. Nachdem er mit einem Mitarbeiter gesprochen hatte, wurde er an einem türkischen Flüchtling vorgestellt. Der Mann war ein Mathematiklehrer und möchte unbedingt wieder unterrichten. Das einzige Problem war, dass er die niederländische Sprache, den niederländischen Mathematikunterricht und das Schulsystem in die Niederlande nicht kannte.

 

„Wir wurden Freunde, ich half ihm, mit der Sprache und das Bildungssystem zu verstehen. Er erzählte mir, dass er Mitglied einer WhatsApp-Gruppe von etwa 100 Mathematiklehrer sei, die aus der Türkei geflüchtet sind wegen der politischen Entwicklungen und die keine Möglichkeit mehr sahen, dort zu unterrichten.“

 

Zugleich erklärte Marcel, dass die Niederlande von einem extremen Mangel an Mathematiklehrer betroffen sei.

 

Dies kreiert ein Paradox: In einem Land mit immer weniger Lehrern gibt es fähige geflüchtete Lehrer, die helfen können und gleichzeitig ihren geliebten und gewählten Beruf ausüben können.

 

Die Idee der DVDK entstand aus diesem Paradox. Mithilfe der Foundation of Math Teachers in Holland und der Organisation VluchtelingenWerk Nederland startete Marcel ein Projekt mit dem Ziel, Lehrer aus dem Ausland dabei zu helfen, Lehrer in die Niederlande zu werden.

 

„Theoretisch sind alle Flüchtlinge aus der Türkei erlaubt, an unseren Schulen zu unterrichten, da sie eine mit dem niederländischen Bildungssystem kompatible Lizenz haben. Dennoch ist die Sprache problematisch und unterscheidet sich das niederländische Bildungssystem und die Art und Weise, wie Mathematik in Holland unterrichtet wird, enorm von der Türkei, Iran oder Syrien… Mehrere von diesem Mathematiklehrer waren nicht zufrieden mit den bestehenden Projekten an anderen Universitäten, daher dachten wir an einer Idee dies zu verbessern.“

 

„Wir erstellten einen Plan für das Ministerium für Bildung, der einen gut strukturierten Weg enthält Flüchtlingen aus dem Ausland ab dem Moment ihrer Einreise in die Niederlande zu helfen, und ihnen zu unterstützen mit dem Bewerten von benötigen Zertifizierungen und Lizenzen, und sie darauf vorzubereiten schnell und dauerhaft Lehrer werden.“

 

Im Februar 2022 startete eine Gruppe von 15 Lehrern, 13 Mathematiklehrern und zwei IT-Lehrern einen Kurs basierend auf den Ideen von der DVDK an der Universität von Angewandten Wissenschaften in Utrecht.

 

(Picture: Two IT  teachers are instructed by their teacher in didactics of the Vrije Universiteit Amsterdam)

 

Wie funktioniert die DVDK in der Praktik?

„Laut der DVDK sind Schulungen über die niederländische Sprache, die Didaktik und das niederländische Schulsystem nur ein Teil dessen, was die DVDK tut, „Periode Zwei“ genannt.“

Tatsächlich betonte Marcel, dass diese Flüchtlinge, die nach den Niederlanden kommen, ein dringendes Bedürfnis haben für eine Phase, welches solche Schulungen vorausgeht.

„Diese Flüchtlinge müssen die Sprache beherrschen, bevor sie mit dieser „Periode Zwei“ starten können. Wir möchten sofort beginnen, nachdem sie ihren Flüchtlingsstatus haben oder manchmal sogar bevor. In den Asylzentren sind sie nicht erlaubt Niederländisch zu üben oder einen Kurs darüber zu folgen… Dies ist schrecklich und sehr demotivierend. Natürlich gibt es Freiwillige, die Kurse und Aktionen organisieren, allerdings sind diese im Moment keine strukturierte Hilfe für Asyllehrer. Ein schneller Start hilft ihnen, einen motivierenden Anfang zu haben, und Dinge für eine neue Zukunft zu erforschen und zu entwickeln.“

„Unsere Idee „Periode Eins“ genannt, macht es notwendig, Lehrern etwas anzubieten, die aus dem Ausland nach den Niederlanden kommen. Wir halten es für sehr wichtig, dies von Anfang an zu tun, um Flüchtlinge die Motivation zu geben, Gutes für ihr eigenes Leben zu tun.“

(Picture: In June 2022 the team of Hogeschool Utrecht and members of the projectgroup DVDK (Docentvluchteling voor de Klas) congratulated the participants with their first part of the course)

Außerdem ist es laut Marcel wichtig, Flüchtlinge eine Orientierung zu geben, was Bildung in die Niederlande konkret bedeutet, da sie möglicherweise nur wenig oder gar keine Vorstellung davon haben, was es bedeutet, in den Niederlanden Lehrer zu sein.

 

„Wir glauben auch, dass es notwendig ist, die Sprache ein wenig zu üben. Wir haben eine Art Website entwickelt, auf der wir Niederländisch Unterricht anbieten. Zusätzlich sind die Aufgaben und Inhalte berufsorientiert, sodass der Kontext und die Übungen an den Beruf des Lehrers gekoppelt sind. Dieses Design motiviert die Flüchtlinge sehr. Mehrere Lehrer sind wirklich Lehrer mit Leib und Seele, und ihnen daher die Möglichkeit zu geben, solche Kurse zu folgen, ist eine Art, ihnen zu sagen, dass sie in unserem Land und in der Mathe-Community willkommen sind und dass wir ihnen helfen wollen.“

 

In diesem Sinne ist die DVDK die einzige Organisation des Landes, die in dieser ersten Periode Ideen und Materialien entwickelt hat.

 

Letztendlich erzählte mir Marcel von der dritten Periode der Ausbildung. Dieses letzte Teil ist sehr praktisch, da die Mathematiklehrer in ihren ersten Job noch viel Coaching benötigen.

 

„Auch wenn die Beherrschung der Sprache und die Didaktik ziemlich gut sind, ein Lehrer muss sich an einem neuen Schulkontext gewönnen und dies fordert viel Unterstützung. Insbesondere für die Sprache, beispielsweise beim Schreiben von E-Mails oder Briefen an Eltern oder für das Designen von Aufgaben oder Tests für Schüler…“

 

Wenn Sie andere im Bildungsbereich beraten müssten: Welches sind die Hauptschwierigkeiten und wie besteht man sie?

 

„Einige Sachen… Zunächst einmal müssen die Teilnehmer viel Zeit investieren, dies ist nur möglich, wenn man wirklich an die Idee glaubt und wenn man eine Gruppe von Personen und Organisationen hat, die auch daran glauben. Eine gute Zusammenarbeit ist auch wichtig. Ich kann sagen, dass wir mit den Leuten, die jetzt an dem Projekt beteiligt sind, tatsächlich eine Art Freundschaft entwickelt haben. Dies hilft, um mit den Höhen und Tiefen umzugehen, etwas, was jedes Projekt begegnet.

 

Zweitens untersuchte die DVDK, ob die Struktur des Projekts auch für andere Fächer anwendbar ist. Wir haben festgestellt, dass auch Lehrer für Physik, Chemie, Technik und Informatik aufgrund des Lehrermangels kreative Ideen brauchen, um neue Lehrer zu werben. Unser Ziel ist es, mit ihnen in Verbindung zu kommen, das bedeutet, dass die DVDK sich ausbreiten wird und wirklich an der Einstellung von einer wachsenden Zahl an neuen Lehren beitragen wird. Dies ist ein Beispiel von unserer Politik: möglichst viele Teilnehmer und Organisationen involvieren, mit dem Ziel so viel verfügbares Kenntnis wie möglich zur Verfügung zu stellen. Und drittens, es gibt viel verfügbares Kenntnis und „Power of People“. Expertise in Sprachdidaktik (CLIL), in Mathematikdidaktik speziell für Lehrer, in Lehrercoaching aus dem Ausland, usw. Und nun warten wir auf unser Ministerium für Bildung. Unsere Bemühungen führten dazu, dass sich unser neuer Minister für einen strukturierten Ansatz und den finanziellen Bedarf einsetzte. Unsere ehrenamtliche Arbeit geht weiter!“

(Picture: Group of 15 teacher-asylants who started a course at Hogeschool Utrecht in February 2022)

Translated by from https://brokenchalk.org/interview-with-marcel-voorhoeve-and-the-qualification-for-refugee-teachers-to-teach-in-the-netherlands/

Presseerklärung: TAG DER MENSCHENRECHTE

10. Dezember 2022

Presseerklärung: TAG DER MENSCHENRECHTE

“Die Förderung des Rechts auf Bildung wird dazu beitragen, andere Menschenrechte zu fördern”

Am 10. Dezember möchte Broken Chalk nicht nur den 74. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte feiern, sondern auch über die vielen Herausforderungen und Erfolge nachdenken, mit denen die Menschenrechtsgemeinschaft in diesem Jahr konfrontiert war. Wie immer ist es auch heute die Aufgabe von Broken Chalk, Wissen über die Rolle der Bildung in der Verwirklichung von Menschenrechten zu verbreiten. Trotz der zahlreichen Fortschritte im Bereich der Menschenrechte auf der ganzen Welt hindern Armut, systematische und institutionelle Gewalt, Diskriminierung und Korruption Kinder und junge Erwachsene weiterhin daran, ihr Recht auf Bildung in vollem Umfang zu verwirklichen. Zu Beginn des Jahres 2023 lohnt es sich, darüber nachzudenken, welche Maßnahmen die einzelnen Länder und die internationale Gemeinschaft ergreifen sollten, um eine erreichbare, hochwertige Bildung für alle zu fördern.

Auch im Jahr 2022 war die Finanzierung eines der größten Hindernisse, um diese Art Bildung möglich zu machen. In Bildungseinrichtungen auf der ganzen Welt fehlt es nach wie vor an sicherer Infrastruktur, sauberem Wasser, ausreichend Material, Büchern und anderen Lehrmitteln. Pädagogen erhalten nur selten ein existenzsicherndes Gehalt, obwohl sie eine der wichtigsten Arbeiten in der Gesellschaft verrichten. Diese Finanzierungskrise verschärft sich mit der zunehmenden weltweiten Inflation. Wenn die Wirtschaft schrumpft, kürzen die Regierungen die Bildungsbudgets, wodurch die Qualität der Bildung weiter sinkt. Gleichzeitig brauchen die Familien mehr Einkommen, so dass immer mehr Kinder die Schule verlassen, um zu arbeiten. Diese beiden Probleme verstärken sich gegenseitig: Wenn die Qualität der Bildung eines Kindes sinkt, werden Familien, die eine Kosten-Nutzen-Analyse durchführen, eher der Arbeit den Vorzug vor der Schule geben, weil Arbeit einen unmittelbareren Wert darstellt. Dies kann dauerhafte Auswirkungen haben; eine ungebildete Erwerbsbevölkerung kann die Löhne für alle drücken, was die Einkommensunterschiede vergrößert und die Armut verschlimmert. Um diesen Teufelskreis zu verhindern, müssen wir unsere politischen Entscheidungsträger – auf nationaler und internationaler Ebene – daran erinnern, dass Bildung ein wesentliches Menschenrecht ist, für das ausreichende Mittel bereitgestellt werden müssen.

Ein weiteres Problem, das den Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung erschwert, ist die zunehmende Verbreitung interner Konflikte. Aufgrund der ungerechten Strafverfolgungspraktiken der derzeitigen Regierung in der Türkei wurden Lehrer gefoltert, inhaftiert und getötet. Zwischen der Gewalt im Iran, den wiederholten Putschen in Burkina Faso, der Invasion in der Ukraine, dem Erstarken der Taliban in Afghanistan und den andauernden Konflikten in Äthiopien, Syrien, Jemen, Myanmar und vielen anderen Ländern hat das Jahr 2022 vielen der akutesten Auseinandersetzungen in der Welt kein Ende gesetzt. In Konfliktgebieten steht die Verwirklichung des Menschenrechts auf Bildung vor nahezu unüberwindbaren Herausforderungen. Die ständige Bedrohung durch Gewalt verhindert, dass Bildung überhaupt stattfinden kann, zumal Bildungseinrichtungen häufig von aufständischen bewaffneten Gruppen angegriffen werden. Familien erleiden große Verluste, z. B. den Verlust ihres eigenen Lebens, ihrer Familienmitglieder, ihres Einkommens oder ihres Zuhauses, und können sogar zu Flüchtlingen oder Binnenvertriebenen werden. Die Konsolidierung der humanitären Hilfe ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass grundlegende Bildungsdienste auch während eines Konflikts weiterhin zur Verfügung stehen. In vielerlei Hinsicht ist Bildung ein wirksames Mittel, um Konflikte zu verhindern, bevor sie entstehen, und die sozialen Folgen von Konflikten zu behandeln, nachdem sie entstanden sind. Bildung ist entscheidend für den Aufbau des sozialen Zusammenhalts und bietet ein gewaltfreies Ventil, um politische Ziele auszudrücken und zu fördern. In Gesellschaften mit höherem Konfliktrisiko kann eine gezielte Bildung, die soziale, politische und ethnische Minderheiten unterstützt, Gewalt verhindern. Kommt es in einer Gesellschaft zu einem Konflikt, kann Bildung im Nachhinein die Entwicklungslücken schließen, die durch die vertriebene Bevölkerung entstanden sind, und dazu beitragen, die Wirtschaft einer Gesellschaft wieder aufzubauen. Bildung nach Konflikten kann auch denjenigen helfen, die vom Konflikt negativ betroffen waren, insbesondere denjenigen,  die ihre Familie oder ihr Zuhause verloren haben. Bildung kann das Werkzeug für Widerstandsfähigkeit und neue, bessere Chancen liefern. Shließlich kann Menschenrechtsbildung ehemalige Kämpfer wieder eingliedern, indem sie ihnen die Fehler ihres gewalttätigen Verhaltens vor Augen führt, und ehemalige Opfer trösten, indem sie ihnen hilft, sich selbst als Mensch wieder wertzuschätzen.

Eine letzte Herausforderung für das Bildungswesen sind die anhaltenden Verlagerungen, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht werden. Diejenigen Schüler, die am meisten digital lernen müssen, darunter kleine Kinder und diejenigen, die sich kein Internet oder keine digitale Technologie leisten können, bleiben im Schulstoff weiterhin zurück. Wir als Kollektiv müssen das verhindern, was zunehmend als “globale Lernkrise” bezeichnet wird, da die Kinder nicht die Qualität der Bildung erhalten, die vor COVID-19 gegeben war, und die Schulen es nicht schaffen, sich an die veränderten Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen. Nationale und internationale politische Entscheidungsträger müssen das Feedback von Schulen und Familien einholen, um zu erfahren, wie sich die Bildungspolitik im digitalen Zeitalter verändern kann und wie die Digitalisierung Schüler mit unterschiedlichem Hintergrund und Lernbedarf miteinbeziehen kann.

Im Jahr 2023 wird sich Broken Chalk, neben anderen Themen, auf diese Probleme fokussieren. Es ist wichtig, sich an diesem Internationalen Tag der Menschenrechte daran zu erinnern, dass alle Menschenrechte miteinander verbunden sind. Die Förderung des Rechts auf Bildung wird dazu beitragen, andere Menschenrechte zu fördern, wie das Recht auf Leben, Gleichheit vor dem Gesetz, Privatsphäre, Eigentum, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung und vieles mehr. Umgekehrt werden sich Fortschritte bei anderen Menschenrechten positiv auf die Bildung auswirken.

 Broken Chalk verspricht, dass wir uns im neuen Jahr für die Förderung aller Menschenrechte einsetzen werden, indem wir das Recht auf Bildung stärken.

 Unterzeichnet von 

Broken Chalk

Human_Rights_Day_2022_Press_Release_German

Russlands Invasion in der Ukraine: Wer zahlt den Preis für diesen Krieg?

Mahmud Darwish sagte einmal über den Krieg:

„Der Krieg wird enden. Die Führer werden sich die Hände schütteln. Die alte Frau wird weiter auf ihren getöteten Sohn warten. Das Mädchen wird auf ihren geliebten Ehemann warten. Und diese Kinder werden auf ihren heldenhaften Vater warten. Ich weiß nicht, wer unser Heimatland verkauft hat, aber ich habe gesehen, wer den Preis dafür bezahlt hat.“ 

Im Laufe der Jahre sind viele Länder durch Krieg und Diktatur zerstört worden. Viele dieser Länder waren hinreichend zivilisiert, bevor der Krieg sie ruiniert hat; voller Kultur, Entwicklung und Zivilisation, wie Syrien, Palästina, Libyen, Afghanistan, der Irak, Somalia, Jemen und viele mehr. 

Die Gier und der Egoismus von Diktatoren und korrupten Politikern haben diesen Ländern nichts als Schaden zugefügt. Viele unschuldige Menschen haben ihr Leben verloren und viele leiden unter Armut als Folge der schlechten Regierungsführung durch tyrannische Regime. Die nationalen Infrastrukturen sind aufgrund von Kriegen zusammengebrochen, und auch die Umwelt wurde stark in Mitleidenschaft gezogen.

 

The Costs of War Project, Watson  Institut für internationale und öffentliche Angelegenheiten, Brown Universität, 2021

 

Die Ukraine hat sich nun der Reihe der Länder angeschlossen, die aufgrund der Gier der Diktatoren durch Krieg zerstört wurden. Vladimir Putin ist nicht nur in einen benachbarten souveränen Staat eingedrungen, sein Regime übt auch auf russischem Territorium eine vollständige Zensur aus. Unabhängige russische Medien und Journalisten, die sich gegen Putins Regime und darüber aussprechen, wie die Russen unter seiner Führung leiden, werden schikaniert, eingeschüchtert und rechtswidrig festgenommen. Die gleiche Behandlung widerfährt Demonstranten, die sich gegen Putin und die von seinem Regime in der Ukraine begangenen Verbrechen stellen. Ein Beispiel ist der Fakt, dass junge Russen dazu gezwungen werden, sich den Streitkräften anzuschließen, ohne darüber informiert zu sein, dass sie sich somit an der Invasion in die Ukraine beteiligen. All dies beschreibt treffend, wie ein „totalitärer Staat“ aussieht.

Wie hat sich der Krieg auf das Bildungswesen ausgewirkt?

Die Auswirkungen des Krieges sind im Bildungssektor deutlich sichtbar, da der Zugang zu Bildung aufgrund des Mangels an Bildungsmaterial eingeschränkt ist. Eine große Rolle spielen dabei Armut sowie die Propaganda, die von Diktatoren verbreitet wird, um eine Invasion oder die Verbrechen an ihren eigenen Bürgern zu rechtfertigen.

Viele Bildungseinrichtungen wie Schulen und Kindergärten wurden aufgrund des andauernden Krieges in der Ukraine zerstört und beschädigt, was die Zukunft der Kinder im Lande gefährdet und ihnen den Zugang zu Bildung verwehrt.  

UNICEF hat kürzlich einen Bericht über die Auswirkungen der russischen Invasion in der Ukraine veröffentlicht. Dem Bericht zufolge hat die Invasion dazu geführt, dass mehr als 350.000 Schulkinder keinen Zugang zu Bildung haben, da die schulische Infrastruktur beschädigt oder zerstört wurde. Zudem schränken mangelhafte Unterrichtsmethoden den Zugang zu Bildung ein, so dass es den Kindern an sicherer Unterkunft, Wasser und Bildung fehlt. 

Die Auswirkungen des Krieges auf ukrainische Flüchtlinge und internationale Studierende in der Ukraine:

Viele Ukrainer haben seit Beginn des Krieges in verschiedenen Ländern Zuflucht gesucht. Die Sorge um die Flüchtlingskinder und die Frage, wie sie in die Schulsysteme anderer Länder integriert werden können, ist groß, vor allem aufgrund von Sprachbarrieren. Die Schulen in Polen haben ukrainische Flüchtlingskinder aufgenommen, und polnische Lehrer haben diesen Schülern geholfen, die Sprachbarriere zu überwinden und sich an das polnische Bildungssystem anzupassen. Jedoch stehen die ukrainischen Flüchtlingskinder im Vereinigten Königreich vor einer großen Herausforderung, da die meisten Schulen im Vereinigten Königreich ihre Aufnahmekapazitäten überschreiten, wenn sie neue Schüler aufnehmen. Hinzu kommt, dass die unzureichende Finanzierung des Bildungssektors die Schulen unter großen Druck setzt, was dazu führt, dass Flüchtlingsschüler abgewiesen werden.

Auch internationale Studenten, die an ukrainischen Universitäten studierten und von denen viele aus Afrika, Südasien und dem Nahen Osten stammen, sind Opfer des anhaltenden Krieges. Viele von ihnen konnten ihr Studium nicht abschließen und waren gezwungen, in andere Länder zu fliehen, immer in der Hoffnung, dass sie bald in die Ukraine zurückkehren und ihr Studium beenden können.  Viele dieser ausländischen Studenten hatten große Mühe, Zuflucht zu finden oder zu fliehen. Am drastischsten ist, dass mindestens zwei Gaststudenten in den ersten Tagen des Krieges getötet wurden.   

 

Die Auswirkungen des Krieges auf die postsowjetischen Staaten und auf Russland:

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine haben die Bürger der postsowjetischen Staaten große Angst, dass Putins Kontrolle auch ihre Länder erreicht, insbesondere nachdem der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew ein Bündnisabkommen zwischen Russland und Aserbaidschan unterzeichnete. Das 43-Punkte-Abkommen beinhaltet eine Bildungs- und Wirtschaftsallianz, die die Kontrolle des Putin-Regimes in Aserbaidschan verstärken wird.     So wird beispielsweise die russische Sprache in den Bildungseinrichtungen obligatorisch werden, und zwar in stärkerem Maße, als dies bisher in den postsowjetischen Staaten der Fall war. 

In letzter Zeit hat das russische Bildungsministerium damit begonnen, im Online-Unterricht Propaganda zu verbreiten, um Kinder mit Ideologien zu beeinflussen, die Putins Führung verherrlichen und Russlands Einmarsch in die Ukraine rechtfertigen. In diesen Online-Lektionen wird versucht zu erklären, “warum die Befreiungsmission der Ukraine notwendig war”.  Es besteht ein hohes Risiko, dass dieser Unterricht dazu beiträgt, eine Generation heranzubilden, die zum Krieg aufruft und die Diktatur in Russland unterstützt, was eine Gefahr für die Zukunft der russischen Gesellschaft darstellt.

Gewiss wird der Tag kommen, an dem der Krieg zu Ende sein wird und die Vertriebenen in ihre Heimatländer zurückkehren werden, wo sie ihre Angehörigen zurückgelassen haben, um in anderen Ländern Zuflucht zu suchen. Die Staats- und Regierungschefs werden sich die Hände reichen, um Frieden in der Welt zu schaffen. Doch zu welchem Preis wird das geschehen, wenn schon so viel Schaden angerichtet wurde? Wie Mahmoud Darwish sagt: “Ich weiß nicht, wer unsere Heimat verkauft hat, aber ich habe gesehen, wer den Preis dafür bezahlt hat”.

 

Von Zinat Asadova

Übersetzt von/ translated by Vivien Kretz 

 

Sources;

  1. “The war will end” Poem by Mahmud Darwish
  2. Save the Children. (2022). Ukraine: Attacks on schools endangering children’s lives and futures. Retrieved from https://www.savethechildren.net/news/ukraine-attacks-schools-endangering-children-s-lives-and-futures
  3. UNICEF Europe & Central Asia Region (ECAR). (2022). Ukraine Situation Report – 24 February 2022 (p. 2). Retrieved from https://www.unicef.org/media/116031/file/Ukraine-Humanitarian-SitRep-24-February-2022.pdf
  4. Deutsche Welle (DW). (2022). Poland fights to give Ukrainian kids access to education [Video]. Retrieved from https://www.dw.com/en/poland-fights-to-give-ukrainian-kids-access-to-education/av-61185207#:~:text=About%202%20million%20Ukrainians%20have,Poland’s%20education%20system%20is%20enormous.
  5. Abrams, F. (2022). Ukraine refugees may struggle to find places in English schools, councils say. The Guardian. Retrieved from https://www.theguardian.com/education/2022/mar/05/ukraine-refugees-may-struggle-to-find-places-in-english-schools-councils-say
  6. Fallon, K. (2022). Foreign students fleeing Russia’s war on Ukraine hope to return. Aljazeera.com. Retrieved from https://www.aljazeera.com/news/2022/3/5/they-told-us-to-go-home-student-recounts-ukraine-war
  7. International education’s continuing response to the war in Ukraine. ICEF Monitor – Market intelligence for international student recruitment. (2022). Retrieved from https://monitor.icef.com/2022/03/international-educations-continuing-response-to-the-war-in-ukraine/
  8. Azərbaycan Respublikası Xarici İşlər Nazirliyi. (2022). No:056/22, Azərbaycan Respublikası Xarici İşlər Nazirliyinin Mətbuat xidməti idarəsinin məlumatı (AZ/RU). Retrieved from https://www.mfa.gov.az/az/news/no05622
  9. President of the Republic of Azerbaijan Ilham Aliyev. (2022). Declaration on allied interaction between the Republic of Azerbaijan and the Russian Federation. Retrieved from https://president.az/en/articles/view/55498
  10. Aliyeva, J. (2022). Azerbaijani president notes importance of Russian language. Report News Agency. Retrieved from https://report.az/en/foreign-politics/azerbaijani-president-notes-importance-of-russian-language/
  11. Russia’s Ministry of Education Official Page on Vkontakte. (2022). An Open lesson “Defenders of Peace” (Открытый урок «Защитники мира») [Video]. https://vk.com/video-30558759_456242419?list=8411aa6de207bc39a2

Ilham Tohti: Ein Aktivist, der der Ungerechtigkeit ins Gesicht lacht

Ilham Tohti*, ein ehemaliger uigurischer Wirtschaftsprofessor an der Pekinger Minzu-Universität, der kürzlich von der Zeitung The Guardian als „Chinas Mandela“ bezeichnet wurde, wurde am 14. Januar 2014 wegen Anstiftung zu Separatismus, ethnischem Hass und Unterstützung terroristischer Aktivitäten verhaftet. Dies kritisierte die chinesische Regierungspolitik offen. Das zweitägige Gerichtsverfahren fand am 17. und 18. September 2014 statt und führte zu seiner Verurteilung zu lebenslanger Haft führte. Seine Verurteilung war ein großer Schock für viele Beobachter, Freunde und Organisationen im In- und Ausland, die Ilham aufgrund seines herausragenden, einschüchternden und vor allem aktiven Einsatzes für die Autonomie und die sprachlichen, kulturellen und religiösen Rechte der ethnischen Minderheit der Uiguren unterstützt hatten. Die Uiguren sind eine turksprachige und in der Regel muslimische Gruppe, die hauptsächlich in der Autonomen Region Xinjiang-Uigurien (nachfolgend XUAR) lebt. Ilham wurde als „das Gewissen des uigurischen Volkes“ beschrieben.

Hintergrund

Ilhams Aktivismus begann 1994, als er damit anfing, über die von Uiguren in der XUAR erlittenen Rechtsverletzungen zu schreiben. Im Jahr 2006 verlagerte er seine Aufmerksamkeit ins Internet, als er zusammen mit anderen Wissenschaftlern die Website Uyghur Online unter uighurbiz.org gründete. Bei der Website handelte es sich um eine chinesischsprachige Plattform, die die anhaltende Spaltung zwischen der uigurischen Minderheit und den Han-Chinesen überbrücken sollte.  Die Plattform diente im Wesentlichen als ein Ort, an dem Ilham der Stimme der Uiguren im In- und Ausland Gehör verschaffen konnte. Sie befasste sich mit der Notlage der Uiguren, die sich von der allgemeinen Gesellschaft vernachlässigt und von der chinesischen Regierung in Bezug auf die sozioökonomische Entwicklung vergessen fühlten. Ilham lud die Han auf eine offene, friedliche und rationale Plattform ein, um ihre unterschiedlichen Ansichten zu diskutieren und zu erörtern, denn, wie er betonte, seien die Han nicht die Feinde der Uiguren, trotz ihrer diskriminierenden und oft gewalttätigen Haltung ihnen gegenüber. 

Auf seiner Website sprach sich Ilham für eine friedlichen und integrative Herangehensweise aus und rief nicht ein einziges Mal zur Gewalt auf oder ermutigte dazu. Er hütete sich davor, mit staatlichen Gesetzen oder grundlegenden Vereinbarungen, die in der Zivilgesellschaft existieren, in Konflikt zu geraten. Die Website zog jedoch allmählich den Zorn der chinesischen Regierung auf sich, die die Website im Juni 2008 vor den Olympischen Spielen in China zum ersten Mal stillegte. Die Regierung begründete diese Aktion damit, dass die Website Verbindungen zu so genannten uigurischen Extremisten im Ausland propagiere. Bei den großen ethnischen Unruhen in Ürümqi, der Hauptstadt der XUAR, und den Terroranschlägen am 5. Juli 2009, die durch eine aggressivere Auslegung des Islams inspiriert waren, wurden etwa 200 Menschen getötet, 18.000 festgenommen und 34 bis 37 Personen verschwanden. Daraufhin sprach Ilham offen über den Vorfall und veröffentlichte die Namen und Gesichter der Verschwundenen, was schließlich zu seinem Hausarrest und später am 14. Juli zu einer etwa fünfwöchigen Isolationshaft führte, bis er auf internationalen Druck hin freigelassen wurde. Ein weiterer entscheidender Moment fand statt, als Ilham und seine Tochter Jewher am Flughafen waren, um ein Flug mit Ziel in die USA zu besteigen, da Ilham eine Stelle als Gastwissenschaftler an der Indiana University antreten sollte. Er wurde von den Behörden angehalten, geschlagen und festgehalten und musste mit ansehen, wie Jewher allein einen Platz in dem Flieger in die USA bekam.  

Dieser Vorfall markierte den Gipfelpunkt von Ilhams Geschichte. Im Oktober 2013 verunglückte eine uigurische Familie mit ihrem Jeep auf der Jingshui-Brücke des Tiananmen Platzes, die in Brand gesetzt worden war. Die chinesische Regierung bezeichnete dies als Terroranschlag, was dazu führte, dass Ilham in den ausländischen Medien Großbritanniens, Frankreichs und der USA immer bekannter wurde. Am 2. November wurde Ilhams Auto von „politischen Aktivisten“ gerammt, als er auf dem Weg zum Flughafen war, um seine Mutter abzuholen. Die Behörden setzten Gewalt und Einschüchterung ein und drohten seiner Familie mit dem Tod, falls er nicht aufhöre, mit ausländischen Medien zu konversieren. Unter dem Druck, der auf Ilham ausgeübt wurde, damit er sich nicht mehr zu Wort meldete, begann er, gegenüber seinen Freunden seine Sorgen um seine Sicherheit zu äußern. In einer telefonischen Erklärung gegenüber Mihray Abdilim, einem Reporter des Uigurischen Dienstes von Radio Free Asia, erklärte er, dass die Überwachung durch Agenten der Staatssicherheit zugenommen habe und er das Gefühl habe, dass seine Stimme bald zum Schweigen gebracht würde. Aus dieser Sorge heraus bat er darum, dass seine letzten Worte aufgezeichnet und erst nach seiner Verhaftung veröffentlicht werden sollten. 

Verhaftung, Verstöße und ein Schauprozess

Im Januar 2014 stürmten rund 20 Polizeibeamte Ilhams Wohnung in Peking und schlugen ihn vor den Augen seiner beiden Kinder im Kleindkind Alter. Sie nahmen ihn in Gewahrsam und legten seine Website dauerhaft still. Am folgenden Tag erklärte Hong Lei, ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums, dass er „auf kriminelle Weise festgenommen“ worden sei. Die Anklagepunkte für seine Verhaftung wurden im Februar bekanntgegeben, als das Büro für öffentliche Sicherheit seine formelle Verhaftung wegen „Separatismus“ (ein vager Begriff, auf den die Todesstrafe verhängt wird) und wegen der Anwerbung von Anhängern auf seiner Website bekanntgab. 

Seine Verhaftung löste eine Welle der Unterstützung für Ilham aus, da er sich deutlich gegen die Forderung nach Unabhängigkeit der XUAR ausgesprochen hatte und sich für den Verbleib der Region bei China aussprach. Die Website Foreign Policy veröffentlichte ihre Analyse mehrerer zwischengespeicherter Artikel Ilhams, die Teil seines Beweismaterials waren, und fand nirgends eine direkte oder indirekte Äußerung zu Separatismus oder Unabhängigkeit. Ilham wurde fünf Monate lang an einem nicht genannten Ort festgehalten, ihm wurde jeglicher Kontakt zu Familie oder Freunden verwehrt und er durfte seinen Anwalt Li Fangping erst am 26. Juni treffen. Li berichtete, dass Ilham in den ersten 20 Tagen seiner Haft dadurch entkräftet war, weil er gefesselt wurde. Des weiteren wurde ihm in den ersten zehn Tagen im März Halal-Essen verweigert. Diese Handlungen sind als Verstöße gegen das Völkerrecht zu bezeichnen und fallen höchstwahrscheinlich unter den Bereich der grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung oder Strafe. Viele glauben und befürchten, dass Ilham möglicherweise gefoltert worden ist. 

Ilham sah erst nach acht Monaten, die er damit verbracht hatte, in einem übereilten und unfairen Gerichtsprozess für sich zu kämpfen, seine Familie wieder. Er wurde am 23. September für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt, bestreitet aber alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe.Während des Prozesses behauptete die Staatsanwaltschaft, dass Ilham in seinem Unterricht Terroristen als Helden darstelle, die „uigurische Frage“ internationalisiere und sich auf Zeugenaussagen von Schülern stütze, von denen angenommen wird, dass sie erzwungen wurden. Einige Studenten wurden nach Ilhams Verhaftung zwangsläufig einer Leibesvisitation unterzogen und inhaftiert. Einige von ihnen blieben lange Zeit verschwunden. Dies unterstreicht den Versuch der Staatsanwaltschaft, einen belastenden Fall zu konstruieren, in dem behauptet wird, Ilham sei nicht die friedliche Person, als die er sich ausgibt, sondern eine Gefahr in den Augen der chinesischen Sicherheitsbehörden. Deswegen solle er durch eine Inhaftierung zum Schweigen gebracht werden.

Hinter den Kulissen seines Kampfes

Doch worum geht es im Fall von Ilham Tohti wirklich? Spannungen zwischen Uiguren und Han gibt es seit der Gründung der Volksrepublik China (VRC), die von Zeit zu Zeit in Unruhen ausbrechen und somit eine härtere Politik gegen Uiguren auslösten, insbesondere nachdem Xi Jinping im März 2013 die Regierung übernahm und später im Dezember desselben Jahres den „großen strategischen Plan“ für die XUAR vorstellte. Im Bezug auf diesen Plan äußerte Ilham Tohti das Bedenken, dass der Druck auf die Uiguren zunehmen würde. Die chinesische Regierung bezeichnete dieses Thema als die „uigurische Frage“ oder das „Xinjiang-Problem“  und versuchte dieses durch einen Sinifizierungsprozess zu lösen, der seit vielen Jahrhunderten in der chinesischen Geschichte existiert und eher die Assimilation als die Integration fördert. Später ermutigte China die Han-Chinesen durch Richtlinien, die die Han gegenüber den Uiguren bevorzugte, dazu, in die Region einzuwandern, was zu einem Ungleichgewicht in der sozioökonomischen Entwicklung führte. Ilham wurde Opfer von Chinas Zensurtechnologien und -gesetzen, wo heute selbst ein einziger Beitrag auf der App Sina Weibo (ähnlich wie Twitter) seinen Verfasser ins Gefängnis bringen kann, wenn er die chinesische Regierung zu kritisieren scheint. Ilhams Inhaftierung beweist, dass die chinesische Regierung die Brücke zwischen den Uiguren und den Han nicht anerkennt. Als Reaktion auf den angeblichen Terroranschlag der Uiguren auf Han-Chinesen im Bahnhof von Kunming im März 2014 rief die Regierung einen “Volkskrieg gegen den Terror” aus und nahm das ganze Jahr 2014 über Wissenschaftler, Aktivisten, Journalisten, Schriftsteller und Menschenrechtsanwälte ins Visier. Der unterschwellige Widerspruch besteht darin, dass das Internet das wichtigste Instrument ist, das Menschen über geographische, soziale, kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg miteinander verbindet und über das ein Großteil des heutigen Handels und der Kommunikation abgewickelt wird. Stattdessen blockiert die “Große Firewall” der chinesischen Regierung den Konsum ausländischer Inhalte in China. Sie nutzt das Internet als knüppelhartes Instrument zur Zensur und Kontrolle digitaler Inhalte entsprechend der erwünschten Darstellung des Images, der Interessen und der Politik Chinas, indem sie die Verbreitung von „Gerüchten“ im Internet kriminalisiert und eine Vorregistrierung für jedes Online-Konto vorschreibt, das politische Meinungen oder Äußerungen verbreitet.

 

Als Autor dieses Artikels und zusammen mit meinen Kollegen bei Broken Chalk fühle ich mich der tragischen Geschichte Ilham Tohtis und vielen anderen wie ihm sehr verbunden, da auch ich einen persönlichen Blog führe, in dem ich meine Sorgen über das aktuelle Weltgeschehen anspreche. Die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, wie es Ilham in seinem „Brücken-Blog“ getan hat, ist kein Verbrechen und sollte Ilham nicht zu Unrecht als Unterstützer des Terrorismus, als Drogenhändler, als Waffenverkäufer oder als amerikanischen Agenten abstempeln. Er hat wirklich versucht, Uiguren und Han dazu zu bringen, miteinander ins Gespräch zu kommen, ihre Unterschiede zu überwinden und sich als gemeinsames Volk zu vereinen. Er wählte friedliche und sachkundige Wege, um andere über die Uiguren aufzuklären, und widersetzte sich damit dem Narrativ, welches die Uiguren als Terroristen, bösartig, und bedrohend für die Sicherheit des Ethos oder die Basis der chinesischen Gesellschaft darstellt. Stattdessen wurde er zu einem politischen Märtyrer für die ethnischen Uiguren in der XUAR. Ilham erhielt zahlreiche Auszeichnungen für die Verteidigung und Ausweitung der Menschenrechte und Freiheiten  und wurde zu einem Leuchtturm, der seit 2017 und weiterhin Licht auf die prekäre Situation der Uiguren in Chinas Internierungslagern wirft, wo zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in Form von Schlägen, Folter, Vergewaltigungen, Tötungen, Zwangsarbeit und der Sterilisierung von uigurischen Frauen begangen werden.

 

Letztendlich wird Ilham Tohti als sachkundig und mutig in Erinnerung bleiben und als eine Person, die mit Tatkraft und Entschlossenheit für die ethnischen Uiguren kämpfte und trotz der Ungerechtigkeit und Einschüchterung durch die chinesischen Behörden seinen Kopf nicht hängen ließ.

* Um mehr über Ilham Tohti zu erfahren, gibt es eine neue Publikation mit dem Titel ‘We Uyghurs Have No Say: An Imprisoned Writer Speaks’ (Verso Books)- ‘Wir Uiguren haben nichts zu sagen: Ein inhaftierter Schriftsteller spricht’. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Essays und Artikeln, die Ilham vor seiner Inhaftierung verfasst hat. Eine Taschenbuch- und eine eBook-Version sind erhältlich unter: https://bit.ly/3wiP6Mv 

 

 

Text original: https://brokenchalk.org/ilham-tohti-an-activist-smiling-in-the-face-of-injustice/

 

Von Karl Baldacchino

Bearbeitet von Olga Ruiz Pilato 

Übersetzt von Vivien Kretz 

 

Sources:

[i] Kennedy, H. (2022) ‘We Uyghur’s Have No Say by Ilham Tohti Review – A People Ignored’. The Guardian. Available online from: https://www.theguardian.com/books/2022/mar/09/we-uyghurs-have-no-say-ilham-tohti-review-background-genocide-china [Accessed on 20/03/2022].

[ii] Makinen, J. (2014) ‘China’s Detention of Uighur Professor Ilham Tohti Worries U.S.’. Los Angeles Times. Available online from: https://www.latimes.com/world/worldnow/la-fg-wn-china-detention-professor-20140117-story.html#axzz2qljh0LfJ [Accessed on 19/03/2022]; see also Wong, E. (2014) ‘Uighur Scholar Ilham Tohti Goes in Trial in China on Separatist Charges’. The New York Times. Available online from: https://www.nytimes.com/2014/09/18/world/asia/separatism-trial-of-ilham-tohti-uighur-scholar-begins-in-china.html?_r=0 [Accessed on 19/03/2022]; see also Wertime, D. (2014) ‘An Internet Where Nobody Says Anything’. China File. Available online from: https://www.chinafile.com/reporting-opinion/media/internet-where-nobody-says-anything [Accessed on 19/03/2022]; see also Amnesty International, ‘Academicus Ilham Tohti: Levenslang Gevangengezet’. Available online from: https://www.amnesty.nl/wat-we-doen/themas/sport-en-mensenrechten/ilham-tohti [Accessed on 19/03/2022]; see also Denyer, S. & Rauhala, E. (2016) ‘To Beijing’s Dismay, Jailed Uighur Scholar Winds Human Rights Award’. The Washington Post. Available online from: https://www.washingtonpost.com/world/to-beijings-dismay-jailed-uighur-scholar-wins-human-rights-award/2016/10/11/d07dff8c-8f85-11e6-81c3-fb2fde4e7164_story.html [Accessed on 19/03/2022]; see also PEN America, ‘Ilham Tohti’. Available online from: https://pen.org/advocacy-case/ilham-tohti/ [Accessed on 19/03/2022].

[iii] Woeser, T. (2009) ‘Interview with Uyghur Scholar Ilham Tohti’. YouTube. Available online from: https://www.youtube.com/watch?v=aQT0iN1nMk8 [Accessed on 19/03/2022]; see also ‘An Internet Where Nobody Says Anything’; see also Johnson, I. (2014) ‘”They Don’t Want Moderate Uighurs”’. China File. Available online from: https://www.chinafile.com/library/nyrb-china-archive/they-dont-want-moderate-uighurs [Accessed on 19/03/2022].

[iv] ‘An Internet Where Nobody Says Anything’; see also ‘To Beijing’s Dismay, Jailed Uighur Scholar Winds Human Rights Award’; see also Tom Lantos Human Rights Commission, ‘Ilham Tohti’. United States Congress. Available online from: https://humanrightscommission.house.gov/defending-freedom-project/prisoners-by-country/China/Ilham%20Tohti#:~:text=Biography%3A%20Ilham%20Tohti%20is%20a,regional%20autonomy%20laws%20in%20China. [Accessed on 19/03/2022].

[v] ) ‘Interview With Uyghur Scholar Ilham Tohti’; see also PEN America (2014) ‘Ilham Tohti: 2014 PEN/Barbara Goldsmith Freedom to Write Award Winner’. YouTube. Available online from: https://www.youtube.com/watch?v=gm6YLWrnKPw [Accessed 19/03/2022].

[vi] Ibid.

[vii] ‘Ilham Tohti’. United States Congress; see also ‘An Internet Where Nobody Says Anything’.

[viii] known as 7/5 due to it being a sensitive date in China

[ix] ‘They Don’t Want Moderate Uyghurs’; see also PEN America, ‘Ilham Tohti’; see also Tohti, I. (2013) ‘The Wounds of the Uyghur People Have Not Healed’. Radio Free Asia. Available online from: https://www.rfa.org/english/commentaries/wounds-07052013134813.html [Accessed on 19/03/2022]; see also ‘To Beijing’s Dismay, Jailed Uighur Scholar Winds Human Rights Award’.

[x] PEN America, ‘Ilham Tohti’.

[xi] Ibid.; see also ‘They Don’t Want Moderate Uyghurs’; see also Tohti, I. (2013) ‘Uyghur Scholar Tohti Speaks About His Concerns Before Detention’. Radio Free Asia. Available online from: https://www.rfa.org/english/news/uyghur/interview-02072014182032.html [Accessed on 19/03/2022]; see also ‘China’s Detention of Uighur Professor Ilham Tohti Worries U.S.’.

[xii] ‘Uyghur Scholar Tohti Speaks About His Concerns Before Detention’; see also ‘They Don’t Want Moderate Uyghurs’.

[xiii] PEN America, ‘Ilham Tohti’; see also ‘China’s Detention of Uighur Professor Ilham Tohti Worries U.S.’; see also ‘Ilham Tohti’. United States Congress; see also ‘An Internet Where Nobody Says Anything’.

[xiv] ‘An Internet Where Nobody Says Anything’

[xv] Ibid.; see also ‘Uighur Scholar Ilham Tohti Goes in Trial in China on Separatist Charges’; see also Cao, Y. (2014) ‘China in 2014 Through the Eyes of a Human Rights Advocate’. China File. Available online from: https://www.chinafile.com/reporting-opinion/china-2014-through-eyes-human-rights-advocate [Accessed on 20/03/2022].

[xvi] ‘Academicus Ilham Tohti: Levenslang Gevangengezet’; see also ‘An Internet Where Nobody Says Anything’; see also ‘Uighur Scholar Ilham Tohti Goes in Trial in China on Separatist Charges’; see also ‘China in 2014 Through the Eyes of a Human Rights Advocate’.

[xvii] ‘An Internet Where Nobody Says Anything’; see also ‘China in 2014 Through the Eyes of a Human Rights Advocate’; see also ‘China’s Detention of Uighur Professor Ilham Tohti Worries U.S.’; see also ‘They Don’t Want Moderate Uyghurs’; see also ‘To Beijing’s Dismay, Jailed Uighur Scholar Winds Human Rights Award’.

[xviii] PEN America, ‘Ilham Tohti’; see also European Foundation for South Asia Studies, ‘Language, Religion, and Surveillance: A Comparative Analysis of China’s Governance Models in Tibet and Xinjiang’. Available online from: https://www.efsas.org/publications/study-papers/comparative-analysis-of-governance-models-in-tibet-and-xinjiang/ [Accessed on 20/03/2022].

[xix] Ibid.; see also ‘China in 2014 Through the Eyes of a Human Rights Advocate’; see also ‘An Internet Where Nobody Says Anything’.

[xx] ‘An Internet Where Nobody Says Anything’; see also ‘China in 2014 Through the Eyes of a Human Rights Advocate’.

[xxi] Ibid.

[xxii] Ilham Tohti is the recipient of PEN America’s 2014 PEN/Barbara Goldsmith Freedom to Write Award, the 2016 Martin Ennals Award for human rights defenders who show deep commitment and face great personal risk, Liberal International’s 2017 Prize for Freedom, was nominated in 2019 and 2020 for the Nobel Peace Prize, and awarded in 2019 Freedom Award by Freedom House, the Vaclav Havel Human Rights Prize by the Parliamentary Assembly of the Council of Europe (PACE), and the Sakharov Prize for Freedom of Thought.

[xxiii] ‘We Uyghur’s Have No Say by Ilham Tohti Review – A People Ignored’; see also ‘Academicus Ilham Tohti.

 

*copertă: https://www.omct.org/fr/ressources/declarations/ilham-tohti-2016-martin-ennals-award-laureate-for-human-rights-defender

Die Inhaftierung Unschuldigeri: Prof. Laçiner

Wer ist Sedat Laçiner?

Sedat Laçiner ist ein türkischer Professor, der in Kirkale, Türkei, geboren wurde. Er ist 49 Jahre alt und befindet sich seit Sommer 2016 in Haft. Der Bildungsweg von Professor Laçiner begann in der Türkei, wo er das Gymnasium absolvierte und seinen Bachelor-Studium in Ankara abschloss. Sein Masterstudium der Politikwissenschaften begann er in der Türkei, doch nachdem er ein Stipendium des Ministeriums für nationale Bildung erhalten hatte, schloss er sein Studium im Vereinigten Königreich ab. Nach Abschluss seines Masterstudiums im Jahr 2001 promovierte er am King’s College der Universität London. Im Jahr 1994 wurde Sedat Laçiner zum Korrespondenten des Ministerpräsidenten ernannt und hat bis heute zahlreiche Artikel verfasst. Er war Mitglied des Hochschulrats (YÖK) und des Nationalen Ausschusses für türkisch-armenische Beziehungen (TEİmK) und wurde 2003 zum Direktor des Zentrums für strategische Studien an der Onsekiz-Mart-Universität in Çanakkale ernannt. Von 2004 bis 2010 leitete er das Internationale Institut für Strategische Studien (USAK). Am 15. März 2011 wurde Laçiner im Alter von 38 Jahren zum Rektor der Çanakkale Onsekiz Mart Universität (ÇOMU) ernannt, womit er der jüngste Rektor der Türkei wurde. Im Jahr 2006 wurde er mit dem Preis “2006 Young Global Leader” ausgezeichnet und ist bis heute die erste und einzige Person in der Türkei, die für einen Titel im Bereich “Intellektuelle” nominiert wurde. Professor Laçiner ist Autor von 26 Büchern in türkischer und englischer Sprache.

Der Putschversuch in der Türkei

Der Präsident der Türkei, Recep Erdogan, hat einen umstrittenen Führungsstil. Dieser führt zu einer zweifelhaften Form der Demokratie. Nach seinem Amtsantritt übernahm Erdogan die Medien, ließ die Anklagen gegen die zuvor verurteilten Minister und ihre Familien fallen und war in einen großen Korruptionsskandal verwickelt. Im Jahr 2014 klagte er Fethullah Gülen an, eine „parallele Staatsstruktur“ zu organisieren, was ein Akt der Ausschaltung von Konkurrenten war. Seine Handlungen haben zu einer weit verbreiteten Missbilligung und dem Wunsch nach Veränderung geführt. Im Jahr 2016 geschah das Unvermeidliche – ein Staatsstreich fand statt. Über einen Rundfunksender verkündete ein Teil der Armee, dass sie „die Macht ergriffen habe, um die Demokratie vor Recep Erdogan zu schützen“. Trotz des Scheiterns und des schnellen Abebbens des Putsches soll es über 1.400 Verletzte und einige Tote gegeben haben. Unter den 7.000 Verhafteten befanden sich u. a. hochrangige Soldaten, Richter und Lehrer. Verschiedenen Quellen zufolge scheiterte der Putsch an der mangelnden Unterstützung durch die Zivilbevölkerung, die den „Wandel“ vorantreiben sollte. Als Erdogan die Kontrolle über die Situation übernahm, beschuldigte er sofort den in den USA wohnhaften Fethullah Gülen. Der Putsch wird in erster Linie als Vorwand für den derzeitigen türkischen Präsidenten betrachtet, als ein Weg um seine Macht zu festigen. Fethullah Gülen ist frei, aber mehr als 2.000 Menschen sind weiterhin inhaftiert.

 

Warum ist Sedat Laçiner im Gefängnis?

Im Jahr 2018 wurde Sedat Laçiner zu 9 Jahren und 4 Monaten Haft verurteilt. Während des Prozesses forderten einige Staatsanwälte eine lebenslange Haftstrafe und es kamen Diskussionen über die Wiedereinführung der Todesstrafe auf. In einem der Briefe Laçiners an seine Familie schreibt der ehemalige Rektor: „Nach acht Monaten gibt es immer noch keinen einzigen juristischen Beweis für den Vorwurf, der mir gemacht wird, nämlich den Versuch, die Regierung Erdogans zu stürzen. Die Anklageschrift räumt sogar ein, dass ich keine gewaltsamen Handlungen oder Aktivitäten begangen habe oder gewalttätige Verhaltensweisen gezeigt habe.“ Außerdem habe er keinen Zugang zu einem Anwalt gehabt und seine Akte sei ihm vorenthalten worden, was eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren und damit eines seiner grundlegenden Menschenrechte darstelle. Der Ex-Rektor wurde beschuldigt, der „Gülen“-Bewegung anzugehören und wurde in Haft gehalten, ohne dass ausreichende Beweise für seine Schuld vorlagen.

Nach Angaben von Laçiners Familie wurde er wegen terroristischer Straftaten im Zusammenhang mit der FETÖ – der Fethullah-Gülen-Terror-Organisation, wie die Regierung die Gülen-Bewegung nennt – angeklagt. Die FETÖ besteht aus Anhängern des gemäßigten islamistischen Predigers Fethullah Gülen und seinem Bruder Vedat, der ebenfalls Akademiker ist. Jedoch wurden keine Einzelheiten darüber genannt, was sie getan haben sollen, um eine Anklage rechtfertigen zu können. Beide werden im Typ E geschlossenen Gefängnis Çanakkale festgehalten (Malley, 2017). 

Die Anschuldigungen umfassen unter anderem, dass die Gülen-Bewegung ein „bewaffneter terroristischer Akt“ sei. Jedoch gibt es bis heute keine Beweise, um diese Anschuldigungen zu unterstützen. Trotz Erdogans Ansichten ergreifen viele Menschen auf die Welt Partei für die Menschen, die unter seinem „eisernen Faust“ Regime leiden. Leider sind über 2.000 unschuldige Menschen willkürlich inhaftiert – eine Zahl, die zeigt, dass die Unschuldsvermutung für die türkische Regierung kein Thema ist.  

 

Original Text von Ivan Evstatiev 

Bearbeitet von Olga Ruiz Pilato 

Übersetzt von Vivien Kretz

 

 

Quellen

Malley, B. M. (2017, April 6). Is imprisoned academic a victim of a mass witchhunt? University World News. Retrieved February 22, 2022, from https://www.universityworldnews.com/post.php?story=2016111800050457

TurkeyPurge. (2017, September 25). Turkish professor Sedat Laciner, under pre-trial detention for 26 months, gets 9 years in jail | Turkey Purge. Turkeypurge.Com. Retrieved February 22, 2022, from https://turkeypurge.com/turkish-professor-sedat-laciner-under-pre-trial-detention-for-26-months-gets-9-years-in-jail

www.sabah.com.tr. (2016, July 23). Eski rektör Sedat Laçiner tutuklandı. Sabah. Retrieved February 18, 2022, from https://www.sabah.com.tr/gundem/2016/07/23/eski-rektor-sedat-laciner-tutuklandi