Interview mit Marcel Voorhoeve und die Qualifikation von Flüchtlingslehrern zum Unterrichten in den Niederlanden.
Obschon er den größten Teil seines Lebens als Mathematik- und Physiklehrer und Direktor einer Sekundärschule verbracht hatte, gründete Marcel Voorhoeve die Organisation DVDK (Docentvluchteling voor de Klas) oder „Flüchtlingslehrer für das Klassenzimmer“.
In Zusammenarbeit mit dem niederländischen Verein für Mathematiklehrer und VluchtelingenWerk Nederland (den niederländischen Flüchtlingsrat), versichern die Freiwilligen der DVDK, dass die Flüchtlingslehrer ihren Beruf auch in den Niederlanden ausüben können.
Anlässlich des Internationaler Tag der Bildung 2023 beschloss Broken Chalk ein Gespräch mit Marcel Voorhoeve zu führen, um über seine Erfahrungen, die Gründung von der DVDK und über Vorschläge, die er anderen mitteilen möchte, die sich möglicherwiese an der Förderung des „Unterrichtens von Flüchtlingslehrern“ beteiligen möchten zu sprechen.
Can you tell me about your background?
Können Sie mir etwas über Ihren Hintergrund erzählen?
„Ich bin im Süden des Landes geboren, in Maastricht. Ich bin im Moment 67 Jahre alt und habe Mathematik und Physik an der Universität von Utrecht studiert. Nach einem fünfjährigen Studium war es möglich, die Lizenz als Lehrer zu bekommen. Danach suchte ich nach einer Arbeit im Bildungswesen, welches zurzeit nicht einfach war. Schlussendlich erhielt ich eine Stelle in Utrecht, und wurde ich Lehrer an einer römisch-katholischen Schule und fing an, Physik zu unterrichten.“
Demzufolge wurde Marcel Mathematiklehrer und begann Mitte der 1980er Jahren, mit der Entwicklung von Computern, auch mit dem Unterrichten von Informatik. Seiner Meinung nach war es eine sehr interessante Zeit für das Bildungssystem, da neue Ideen für den Mathematikunterricht entstanden.
„An der Universität von Utrecht begann die Abteilung mit dem Entwickeln von neuen Ideen für den Mathematikunterricht. Unsere Universität war für mehrere Projekte eine „Versuchsuniversität“. Dies war auch sehr interessant für mich, da es mir erlaubte mich als Lehrer weiterzuentwickeln.“
„In vielen Ländern wird Mathematik angesehen als etwas, das man lernen und tun muss, doch das Wichtigste ist das Tun… Dieser Ansatz hilft das eigene Denken nicht weiterzuentwickeln. Den nur, wenn man sich die Zeit nimmt Dinge auszuprobieren und mithilfe eines guten Lehrers ist es möglich sein eigenes Denken zu entwickeln.“
Die letzten 15 Jahren seines Berufes war Marcel ein Vorstandsmitglied seiner Schule und die letzten 4 Jahren bevor er aufhörte zu arbeiten, unterrichtete er an der Universität von Angewandten Wissenschaften in Amsterdam in der Lehrerausbildung Abteilung. Dort konnte er wieder unterrichten, indem er junge Studenten, die Mathematiklehrer werden wollten, mathematische Fächer, insbesondere Statistik, und die Didaktik der Mathematik beibrachte.
Wie sind Sie auf die Idee für die DVDK gekommen?
„Ich habe vor drei Jahren, etwa zu Beginn der Corona-Zeit, aufgehört zu arbeiten, dennoch hat mir meine Arbeit sehr gut gefallen. Mein Partner und ich fingen zu reisen und für einen Moment… Im Monat Januar, nach Weihnachten, dachte ich darüber nach, was ich tun könnte. Auf die nächste Reise abwarten, war nicht befriedigend für mich.“
Eines Tages beschloss Marcel Plan Einstein zu besuchen, ein Ort entwickelt von der Gemeinde Utrechts und von VluchtelingenWerk Nederland, eine Organisation, welchen Flüchtlingen bei der Aufnahme und Integration in der Stadt hilft. Nachdem er mit einem Mitarbeiter gesprochen hatte, wurde er an einem türkischen Flüchtling vorgestellt. Der Mann war ein Mathematiklehrer und möchte unbedingt wieder unterrichten. Das einzige Problem war, dass er die niederländische Sprache, den niederländischen Mathematikunterricht und das Schulsystem in die Niederlande nicht kannte.
„Wir wurden Freunde, ich half ihm, mit der Sprache und das Bildungssystem zu verstehen. Er erzählte mir, dass er Mitglied einer WhatsApp-Gruppe von etwa 100 Mathematiklehrer sei, die aus der Türkei geflüchtet sind wegen der politischen Entwicklungen und die keine Möglichkeit mehr sahen, dort zu unterrichten.“
Zugleich erklärte Marcel, dass die Niederlande von einem extremen Mangel an Mathematiklehrer betroffen sei.
Dies kreiert ein Paradox: In einem Land mit immer weniger Lehrern gibt es fähige geflüchtete Lehrer, die helfen können und gleichzeitig ihren geliebten und gewählten Beruf ausüben können.
Die Idee der DVDK entstand aus diesem Paradox. Mithilfe der Foundation of Math Teachers in Holland und der Organisation VluchtelingenWerk Nederland startete Marcel ein Projekt mit dem Ziel, Lehrer aus dem Ausland dabei zu helfen, Lehrer in die Niederlande zu werden.
„Theoretisch sind alle Flüchtlinge aus der Türkei erlaubt, an unseren Schulen zu unterrichten, da sie eine mit dem niederländischen Bildungssystem kompatible Lizenz haben. Dennoch ist die Sprache problematisch und unterscheidet sich das niederländische Bildungssystem und die Art und Weise, wie Mathematik in Holland unterrichtet wird, enorm von der Türkei, Iran oder Syrien… Mehrere von diesem Mathematiklehrer waren nicht zufrieden mit den bestehenden Projekten an anderen Universitäten, daher dachten wir an einer Idee dies zu verbessern.“
„Wir erstellten einen Plan für das Ministerium für Bildung, der einen gut strukturierten Weg enthält Flüchtlingen aus dem Ausland ab dem Moment ihrer Einreise in die Niederlande zu helfen, und ihnen zu unterstützen mit dem Bewerten von benötigen Zertifizierungen und Lizenzen, und sie darauf vorzubereiten schnell und dauerhaft Lehrer werden.“
Im Februar 2022 startete eine Gruppe von 15 Lehrern, 13 Mathematiklehrern und zwei IT-Lehrern einen Kurs basierend auf den Ideen von der DVDK an der Universität von Angewandten Wissenschaften in Utrecht.
(Picture: Two IT teachers are instructed by their teacher in didactics of the Vrije Universiteit Amsterdam)
Wie funktioniert die DVDK in der Praktik?
„Laut der DVDK sind Schulungen über die niederländische Sprache, die Didaktik und das niederländische Schulsystem nur ein Teil dessen, was die DVDK tut, „Periode Zwei“ genannt.“
Tatsächlich betonte Marcel, dass diese Flüchtlinge, die nach den Niederlanden kommen, ein dringendes Bedürfnis haben für eine Phase, welches solche Schulungen vorausgeht.
„Diese Flüchtlinge müssen die Sprache beherrschen, bevor sie mit dieser „Periode Zwei“ starten können. Wir möchten sofort beginnen, nachdem sie ihren Flüchtlingsstatus haben oder manchmal sogar bevor. In den Asylzentren sind sie nicht erlaubt Niederländisch zu üben oder einen Kurs darüber zu folgen… Dies ist schrecklich und sehr demotivierend. Natürlich gibt es Freiwillige, die Kurse und Aktionen organisieren, allerdings sind diese im Moment keine strukturierte Hilfe für Asyllehrer. Ein schneller Start hilft ihnen, einen motivierenden Anfang zu haben, und Dinge für eine neue Zukunft zu erforschen und zu entwickeln.“
„Unsere Idee „Periode Eins“ genannt, macht es notwendig, Lehrern etwas anzubieten, die aus dem Ausland nach den Niederlanden kommen. Wir halten es für sehr wichtig, dies von Anfang an zu tun, um Flüchtlinge die Motivation zu geben, Gutes für ihr eigenes Leben zu tun.“
(Picture: In June 2022 the team of Hogeschool Utrecht and members of the projectgroup DVDK (Docentvluchteling voor de Klas) congratulated the participants with their first part of the course)
Außerdem ist es laut Marcel wichtig, Flüchtlinge eine Orientierung zu geben, was Bildung in die Niederlande konkret bedeutet, da sie möglicherweise nur wenig oder gar keine Vorstellung davon haben, was es bedeutet, in den Niederlanden Lehrer zu sein.
„Wir glauben auch, dass es notwendig ist, die Sprache ein wenig zu üben. Wir haben eine Art Website entwickelt, auf der wir Niederländisch Unterricht anbieten. Zusätzlich sind die Aufgaben und Inhalte berufsorientiert, sodass der Kontext und die Übungen an den Beruf des Lehrers gekoppelt sind. Dieses Design motiviert die Flüchtlinge sehr. Mehrere Lehrer sind wirklich Lehrer mit Leib und Seele, und ihnen daher die Möglichkeit zu geben, solche Kurse zu folgen, ist eine Art, ihnen zu sagen, dass sie in unserem Land und in der Mathe-Community willkommen sind und dass wir ihnen helfen wollen.“
In diesem Sinne ist die DVDK die einzige Organisation des Landes, die in dieser ersten Periode Ideen und Materialien entwickelt hat.
Letztendlich erzählte mir Marcel von der dritten Periode der Ausbildung. Dieses letzte Teil ist sehr praktisch, da die Mathematiklehrer in ihren ersten Job noch viel Coaching benötigen.
„Auch wenn die Beherrschung der Sprache und die Didaktik ziemlich gut sind, ein Lehrer muss sich an einem neuen Schulkontext gewönnen und dies fordert viel Unterstützung. Insbesondere für die Sprache, beispielsweise beim Schreiben von E-Mails oder Briefen an Eltern oder für das Designen von Aufgaben oder Tests für Schüler…“
Wenn Sie andere im Bildungsbereich beraten müssten: Welches sind die Hauptschwierigkeiten und wie besteht man sie?
„Einige Sachen… Zunächst einmal müssen die Teilnehmer viel Zeit investieren, dies ist nur möglich, wenn man wirklich an die Idee glaubt und wenn man eine Gruppe von Personen und Organisationen hat, die auch daran glauben. Eine gute Zusammenarbeit ist auch wichtig. Ich kann sagen, dass wir mit den Leuten, die jetzt an dem Projekt beteiligt sind, tatsächlich eine Art Freundschaft entwickelt haben. Dies hilft, um mit den Höhen und Tiefen umzugehen, etwas, was jedes Projekt begegnet.
Zweitens untersuchte die DVDK, ob die Struktur des Projekts auch für andere Fächer anwendbar ist. Wir haben festgestellt, dass auch Lehrer für Physik, Chemie, Technik und Informatik aufgrund des Lehrermangels kreative Ideen brauchen, um neue Lehrer zu werben. Unser Ziel ist es, mit ihnen in Verbindung zu kommen, das bedeutet, dass die DVDK sich ausbreiten wird und wirklich an der Einstellung von einer wachsenden Zahl an neuen Lehren beitragen wird. Dies ist ein Beispiel von unserer Politik: möglichst viele Teilnehmer und Organisationen involvieren, mit dem Ziel so viel verfügbares Kenntnis wie möglich zur Verfügung zu stellen. Und drittens, es gibt viel verfügbares Kenntnis und „Power of People“. Expertise in Sprachdidaktik (CLIL), in Mathematikdidaktik speziell für Lehrer, in Lehrercoaching aus dem Ausland, usw. Und nun warten wir auf unser Ministerium für Bildung. Unsere Bemühungen führten dazu, dass sich unser neuer Minister für einen strukturierten Ansatz und den finanziellen Bedarf einsetzte. Unsere ehrenamtliche Arbeit geht weiter!“
(Picture: Group of 15 teacher-asylants who started a course at Hogeschool Utrecht in February 2022)
Translated by from https://brokenchalk.org/interview-with-marcel-voorhoeve-and-the-qualification-for-refugee-teachers-to-teach-in-the-netherlands/
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