Halime Gülsu – Das versagende Gefängnissystem der Türkei führte zum tragischen Tod einer einzigartigen Seele. Eine Buchbesprechung von Das Leben der Halime Gülsu: Die himmlische Lehrerin, die im Gefängnis ermordet wurde (2022)
by Vivien Kretz
Warum werden Gefangene nicht zum Tode verurteilt, aber trotzdem ermordet?
Wie bezahlen Bürger für ihr Leben? Solche Fragen stellt man sich, wenn man über das Schicksal von Halime Gülsu nachdenkt.
Das Buch ‘Halime Gülsu: The Heavenly Teacher Murdered in Prison’ (Die Himmlische Lehrerin, die im Gefängnis ermordet wurde) wurde von Zeynep Kayadelen geschrieben und von der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation ‘Advocates of Silenced Turkey‘ (AST) herausgegeben. Es basiert sich auf den Aussagen von Gülsus Zellengenossingen, die ihre letzten Momente miterlebt haben, und auf den Aussagen von von Freunden und Familienangehörigen. Gülsu starb als Insassin in einer Gefängnisabteilung in der türkischen Provinz Mersin, weil sie keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Hilfe hatte.
Die Geschichte von Halime Gülsu wurde nun von der türkischen Organisation ‘Advocates of Silenced Turkey rekonstruiert. Die Autorin Zeynep Kayadelen leitet ihr werk mit dem Vorwort: “Wir sind viele Male gestorben” ein (Kayadelen 2022, 9). Die Hoffnungslosigkeit wird durch ihr Worten betont. Sie widmet dieses literarische Werk denjenigen, die einen schmerzhaften Tod erlitten haben wegen einem am Herzen liegendem Kampf.
In ihrem Roman beschreibt Kayadelen das traurige Schicksal von Halime Gülsu, eine engagierte Lehrerin, die in der Türkei unterrichtete und der Hizmet Bewegung angehörte. Diese Bewegung ist von den Ideen und Zielen des Gelehrten Fethullah Gulen beeinflusst. Die Hizmet-Bewegung setzt sich für eine freiere, gleichberechtigtere und nachhaltigere Türkei ein.
Gülsu war eine sehr engagierte Lehrerin. Während ihrer Arbeitszeit unterrichtete Sie ihre Schüler und nebenbei unterstützte sie diejenigen die von der türkischen Regime verfolgt wurden.
Das türkische Regime wendete sich gegen alle Anhänger der Hizmet-Bewegung. Gülsu und die meisten ihrer Freuden befangen sich deswegen in einer schwierigen Situation. Sie fühlten sich auf Schritt und Tritt beobachtet. Sie wussten, dass das Regime hinter ihnen her war. Kayadelen beschrieb es so: “Wenn die Unterdrückung ein Feuer wäre, dann wäre ihre Feindseligkeit der Wind, der es anfachte”. Gülsu weigerte sich jedoch nachzugeben und lehnte die Möglichkeit ab, das Land zu verlassen. Ein Großteil ihrer Familie wohnt in Kanada, deswegen konnte sie oft ins Ausland reisen, um ihre Familie zu besuchen. Sie war eine sehr stolze türkische Staatsbürgerin und schlussendlich entschied sich zu blieben, um sich gegen das Regime zu wehren. Im Laufe des Buches wird immer wieder betont, dass sie sich als Bürgerin der Türkei sah und sich beschloss, für eine vielversprechende Zukunft ihres Landes zu kämpfen. Die Anführer des Regimes waren damit nicht einverstanden.
Am 20. Februar 2018 wurde Gülsu wegen ihrer Zugehörigkeit zur Hizmet-Bewegung verhaftet. Ihre Verhaftung kam für sie ziemlich überraschend. Gülsu wusste, dass sie beobachtet wurde, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie verhaftet und inhaftiert werden würde.
Nachdem das Team der Antiterror Spezialeinheit von Mersin ihre gesamte Wohnung durchsucht, and gesamt auseinandergenommen hatte, wurde sie verhaftet und ins Gefängnis von Tarsus gebracht.
Gülsu war nicht gesund, sie litt an chronischem Lupus erythematosus, einer Autoimmunkrankheit, und benötigte tägliche und wöchentliche Medikamente zur Behandlung ihrer Krankheit.
Als die türkischen Streitkräfte die Lehrerin aus ihrem Haus ras, nahm sie schnell ihre täglichen Medikamente und ihre Krankenakte mit. Leider vergaß Gülsu ihre wöchentliche Medizin einzunehmen während ihrer Verhaftung.
Im Gefängnis angekommen, fragte sie nach ihren medizinischen Unterlagen, aus denen hervorging, dass sie krank war und ihre wöchentliche Medizin und medizinische Hilfe benötigte, aber die Unterlagen waren nirgendwo zu finden. Gülsu befand sich deswegen in einer schrecklichen und lebensbedrohlichen Situation.
Im Gefängnis wurde sie mit anderen Frauen in einer überfüllten Zelle gesteckt. Die Zelle war bestimmt für zehn Personen mit zehn Betten ausgelegt. Als sie die Zelle betrat war sie bereits mit doppelter Anzahl Frauen besetzt.
Einige der Gefangenen hatten Kinder, die ihnen entnommen sind. Weibliche Gefangene waren gezwungen, kleine Kinder nach Hause zu schicken, da das Gefängnis sie nicht versorgen konnten.
Gülsu erlebte alles aus erster Hand: die Routine, die Unwissenheit und die Geschichten der anderen Gefangenen, aber nicht für lange. Drei Monate nach ihrer Verhaftung starb Gülsu wegen medizinscher Nachlässigkeit.
Gülsu erhielt weder Zugang zu ihren wöchentlichen Medikamenten noch zu ihrer medizinischen Behandlung für ihre chronische Lupus Erkrankung. Ihr Zustand verschlimmerte sich, und sie entwickelte Wucherungen und Knoten – sie litt schreckliche Qualen.
Sie wurde von Tag zu Tag schwächer und schwächer. Als ihr Bruder ihr endlich die Medikamente bringen konnte, war es bereits zu spät. Gülsu konnte die Schmerzen nicht mehr ertragen, und die aggressive Krankheit war zu fortgeschritten.
Nach wochenlangem Leiden durfte Gülsu endlich ins Krankenhaus, es war jedoch zu spät. Nach ihrer Rückkehr ins Gefängnis mussten ihre Insassen, die zu liebevollen Freunden geworden waren, sie tragen, da sie zu schwach war, um zu gehen – sie kümmerten sich um Gülsu, fütterten sie und beteten für sie.
Leider starb sie um April 2018 um 15:10 allein im Gefängnisflur. „Wir ein leerer Kokon wurde ihr ausgetrockneter Körper zurückgelassen, der einfach nur da lag“, beschreibt Kayadelen in ihrem Buch.
Die Autorin Kajadelen erzählt die Geschichte in einer Ich-Perspektive, was es dem Leser erleichtert, sich vorzustellen, was die Lehrerin während ihrer schweren Zeit im Gefängnis durchgemacht haben muss.
Kayadelens Buch ist ein schönes Leseerlebnis mit einem persönlichen Einblick in das, was Gülsu in ihren letzten Tagen erlebt hat. Durch zahlreiche Interviews mit Menschen, die im Gefängnis arbeiten, und mit Menschen, die mit Gülsu in Verbindung stehen, hat die Organisation die Geschichten über ihre Zeit im Gefängnis zusammengestellt und einen starken Hintergrund für eine mit Herz erzählte Geschichte geschaffen.
Kayadelens Arbeit wirkt als eine starke Stimme gegen alle Menschenrechtsverletzungen in türkischen Gefängnissen. Die Anwälte von ‚Silenced Turkey‘ haben hervorragende Arbeit geleistet, um Halime Gülsu, „die himmlische Lehrerin“, ein kleines Stück Gerechtigkeit zu verschaffen.
Das Buch kann hier erworben werden:
https://www.amazon.com/Life-Halime-Gulsu-Heavenly-Murdered/dp/B0BMY9HXYW
Translated By Georgette Schönberger from https://brokenchalk.org/the-life-of-halime-gulsu-the-heavenly-teacher-murdered-in-prison/
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